Eine Frau sitzt auf einer Parkbank

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Radiokolleg

Körperhaltungen (2)

Vom Sitzen

Das Sitzen ist eine Haltung, um Körperkontrolle zu erhalten. Abstraktes und räumliches Denken, sogar lernen, ist im Sitzen leichter als im Gehen oder Stehen. Aber nicht immer wird die Sitzhaltung für aktives Denken eingenommen. Sitzen ist einfach eine Angewohnheit, und wir tun es gern. Im Schnitt 7, 5 Stunden pro Tag: beim Frühstück, in Bus oder Bahn, während Konferenzen, in der Kantine, überall. Abends ist es der Fernsehsessel oder wir sitzen vor dem Rechner. In unseren Kulturkreis ist das Sitzen die Norm und keine meditative Haltung wie etwa im Zen-Buddhismus oder im Alltag Japans, in dem Stühle keine große Rolle spielen. Man lässt sich auf den Knien nieder, das Gesäß auf den Fersen, sitzt und schläft auf Tatami-Matten. Wir hier im Westen jedoch leben in einer Sitzgesellschaft: auf Bürosesseln, Hockern, Bänken. Wir sind also eher homo sedens und schon lang kein homo erectus mehr. Aber natürlich ist das Sitzen auch Teil der westlichen Etikette. "Gerade sitzen", heißt es doch nach gutbürgerlicher Sitte. Es gibt Benimmregeln, und die haben nichts mit dem Gesundheitsaspekt zu tun, der für uns heute in unserem digitalen Alltag so zentral ist und jede Form von Etikette übertrumpft. Weil wir Stunden vor den Bildschirmen, Tablets, Mobiltelefonen verbringen, leiden viele unter Fehlstellungen des Rückens und Muskelverkürzungen. Das viele Sitze löst orthopädische Probleme aus, und mehr noch: die Muskulatur schwindet, die Durchblutung leidet, viele innere Organe, und sogar das Gehirn bekommt nicht genug Reize. Auch Arthrose oder geschwächte Immunabwehr sind die Folge von mangelnder Bewegung. "Sitzen ist das neue Rauchen", heißt es darum. Dabei mussten wir doch zunächst das Sitzen erst erlernen. Bis Kinder sitzen können, vergehen in der Regel sechs Monate. Was bis zu diesem Zeitpunkt passiert, wissen Kinderärzte wie Entwicklungspsychologen. Aber auch in der Tanztherapie nach Forschungen der US-amerikanischen Kinderpsychiaterin und Psychoanalytikerin Judith Kestenberg, sind es vor allem Bewegungs- und Spannungsrhythmen, die eine entscheidende Rolle für die psychische Entwicklung spielen. Das betrifft das Liegen, Sitzen, Stehen, Gehen, alle unsere Körperpositionen.

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  • Katrin Mackowski