
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Punkt eins
Wenn Tiere zu Werkzeug greifen
Auf du und du mit dem Kakadu. Gast: Associate Prof. Dr. Alice Auersperg, Gründerin und Leiterin des Goffin-Labs am Messerli Forschungsinstitut der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Moderation: Alexander Musik. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at
21. Februar 2025, 13:00
Auf den meisten Fotos von Prof. Dr. Alice Auersperg sieht man die Biologin umgeben von einer Schar neugieriger Goffin-Kakadus, die keine Scheu haben, sich direkt auf ihren Kopf zu setzen und Auersperg scheinbar erwartungsvoll anzuschauen mit der Frage: Was spielen wir als Nächstes?
Denn Auersperg ist davon überzeugt, dass "die Natur des Spielverhaltens einen der besten Schlüssel zu technischer Intelligenz darstellt". Und so kam es, dass sie die als besonders verspielt geltenden Goffin-Kakadus, beheimatet auf den indonesischen Tanimbar-Inseln, in den Mittelpunkt ihrer Forschung stellte.
Dort haben die Forscherinnen und Forscher rund um Alice Auersperg festgestellt, dass die Goffin-Kakadus keine Mühe scheuen, um eine harte Frucht zu knacken, an deren schmackhaften Kern sie ohne Hilfe von Werkzeugen nie gelangen könnten. Die innovativen Vögel nutzten nicht nur Zweige und Holzspäne, um ins Innere der Frucht vorzudringen; sie manipulierten ihre Werkzeuge zusätzlich. Durch das Zusammenwirken des von den Kakadus zurechtgebogenen und -geschnittenen Materials entstand schließlich eine Art Besteck - Werkzeug, das die Vögel zum Lösen eines (Futter-)-Problems angefertigt hatten. Für das Forscherteam waren diese Beobachtungen umso aufregender, als Werkzeuggebrauch in der Tierwelt ein an sich sehr seltenes Phänomen ist, wie Alice Auersperg in ihrem Buch "Der Erfindergeist der Tiere" schreibt.
Zwar nutzen Tiere Krallen oder Schnäbel, um etwa Mülltonnen- oder Milchflaschendeckel zu öffnen und beweisen damit Innovationsvermögen und Intelligenz. Doch als Werkzeuggebrauch gilt der Körpereinsatz nicht - dazu müssen die Tiere erst Objekte in der Umgebung als nützlich für die Lösung einer Aufgabe erkennen - und sie gewinnbringend anzuwenden wissen.
Wenn Alice Auersperg den tierischen Erfindergeist verschiedener Arten miteinander vergleicht, ist ihr besonders wichtig, die Tiere nicht an uns selbst zu messen, denn Tiere nehmen die Welt oft völlig anders wahr als wir. Es geht ihr darum, sich den Tieren mit Respekt zu nähern - und mit der gebotenen Skepsis hinsichtlich der Interpretation des Beobachteten: "Werkzeuggebrauch bei Tieren ist immer noch ein sexy Thema. Wenn man ein neues Verhalten, das mit Objekten zu tun hat, in der Veröffentlichung als Werkzeuggebrauch verkaufen kann, hat man bessere Chancen, die Studie in einer angesehenen Fachzeitschrift zu veröffentlichen."
Alexander Musik diskutiert mit der Gründerin und Leiterin des Goffin-Labs am Messerli Forschungsinstitut der Vetmed, Wien, Associate Prof. Dr. Alice Auersperg.
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Haben Sie schon einmal Werkzeuggebrauch bei Tieren beobachtet? Warum ist Werkzeuggebrauch scheinbar nur wenigen Tierarten vorbehalten? Müssen wir das Verhältnis zwischen Mensch und Tier angesichts der kognitiven Leistungen auch kleiner Tiere wie Hummeln neu denken?
Service
Buch:
Alice Auersperg: Der Erfindergeist der Tiere. Werkzeuge, Ideen und Innovationen. Brandstätter Verlag 2025
Sendereihe
Gestaltung
- Alexander Musik