Unsinn als politische Tugend

1. März 2025, 06:57

"Alle Demagogen fürchten Ironie, denn damit können sie nicht umgehen. Wenn sie es schaffen, die Leute in Rage zu versetzen - und zwar sowohl ihre Anhänger als auch ihre Gegner -, dann haben sie gewonnen. Man braucht Distanz und Gelassenheit, um sich aus ihrer Macht zu befreien."

Das sagte der US-amerikanische Soziologe, Kulturwissenschaftler und Historiker Richard Sennett kürzlich in einem Interview. Tatsächlich gibt es mittlerweile in der Welt erste Bewegungen, die Sennetts Idee befolgen und dabei sogar den Unsinn als ironische und aktivistische Kunstform einsetzen.

In den USA hat z.B. die Protestbewegung "Birds Aren't Real" versucht, Verschwörungsmythen zu bekämpfen. Aber nicht mit sinnvollen Argumenten, sondern mit Plakaten, die genauso unsinnig sind wie die ihrer Gegner. Auf ihren Schildern standen etwa Parolen wie "Tauben lügen" oder "Informiert euch über Vogelspionage". Ihre Strategie: den Unsinn derer zu entlarven, die verrückte Verschwörungsideen tatsächlich für sinnvoll erachten. Dieser Protest des Unsinns gegen den Unsinn ist sicher kein Allheilmittel, aber vielleicht hat Sennett schon recht. Wer mit sinnvollen Argumenten gegen sinnlose Willkür und Demagogie vorgeht, läuft Gefahr, den Unsinn zu adeln.

Oder wie es der deutsche Schriftsteller Roger Willemsen einmal schrieb, als ein Schüler einer Schulklasse im deutschen Bundestag gebeten wurde, den Kaugummi herauszunehmen: "Die dann folgende Debatte erwies sich als des Kaugummi-Herausnehmens nicht würdig". Sinnvolle Praktiken des Zusammenlebens und des Respekts können unsinnig werden, wenn sie den Unsinn mit Sinn adeln. Manchmal braucht es Unsinn und Kaugummis als Protest.

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