Zwischenruf
Fasten, Beten, Reflektieren
von Sabrina Fuchs-El Bahnasawy, Sozialpädagogin
2. März 2025, 06:55
Ich freue mich schon seit einiger Zeit auf den Beginn des Ramadan. Jetzt ist es endlich soweit: Für die Musliminnen und Muslime beginnt der intensivste Monat im Jahr. Wir fasten von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang und fokussieren uns auf gottesdienstliche Handlungen wie das Lesen des Koran und Gebete in der Gemeinschaft.
Dieses Jahr ist Ramadan zeitlich sehr nah an der christlichen Fastenzeit vor Ostern, die ja gleich nach den bunten Faschingstagen beginnt. Das erinnert mich wieder einmal daran, wie viele Gemeinsamkeiten es zwischen den monotheistischen Religionen gibt.
Grade nach dem für mich persönlich sehr schwierigen Jahr 2024 freue ich mich auf eine ruhige Zeit der Besinnung, in der ich Vergangenes reflektieren kann und mich für Zukünftiges stärke. Ramadan bedeutet für mich die Reduktion auf das Wesentliche im Leben. Zeit für meine persönliche Spiritualität, ein bewusstes Leben und Erleben von Werten wie Gemeinschaft, Teilen und Gott gedenken.
Im vergangenen Jahr habe ich oft eine Macht- und Hilflosigkeit gefühlt. Es war schwer für mich, die Kriege, die Ungerechtigkeiten und Grausamkeiten, die Menschen einander antun, zu sehen. Auch die gesellschaftspolitischen Entwicklungen fordern mich heraus nachzudenken. Die Dankbarkeit, trotz aller Krisen, noch in Sicherheit zu leben, hat für mich einen bitteren Beigeschmack bekommen und ich frage mich, welche Auswirkungen der Wohlstand auf unseren moralischen Kompass hat. Welchen Preis unsere Gesellschaft bezahlt. Ist es wirklich alleine die Leistung, die den Wert eines Menschen bestimmt? Seit wann ist Vielfalt eine Last, anstatt einer Bereicherung? Und woher nehmen Menschen das Recht, sich Dinge anzueignen, die ihnen nicht gehören?
Im Ramadan, wenn Social Media, Fernsehen und die laute Welt weggelassen werden, lässt es sich gut nachdenken und reflektieren. Das bewusste Lesen des Koran, seine Empfehlungen und Erzählungen geben mir immer wieder Zuversicht und Hoffnung. Ich denke: Nichts, was wir heute erleben, gab es nicht auch schon in früheren Zeiten. Ungerechtigkeit, Gewalt, Menschenverachtung und Vernichtung. Alles das passiert nicht zum ersten Mal. Und immer wieder hat das Gute gesiegt. Immer wieder haben sich Gerechtigkeit und Menschenliebe durchgesetzt. Trotz all der Kriege, von Menschen verursachten Katastrophen und Massenvernichtungen, hat sich immer wieder gezeigt, dass Menschen, die in Liebe, Respekt und gottesbewusst miteinander gelebt haben, gewonnen haben. Dass das Böse überwunden werden kann.
Der Islam lehrt, dass Gott besonders die Menschen liebt, die trotz aller Umstände geduldig sind, hoffnungsvoll bleiben und auf IHN vertrauen. Auch wenn wir im Großen nichts verändern können, können wir doch Eigenverantwortung für unser Leben übernehmen, indem wir unsere Werte leben, Zivilcourage zeigen und anderen Menschen mit Respekt und Wertschätzung begegnen. Ich freue mich darauf, die nächsten Tage und Wochen für meine ganz persönliche Stärkung und Bereicherung zu nutzen und wünsche allen, die ihn begehen, einen gesegneten Ramadan.
Sendereihe
Gestaltung
Playlist
Komponist/Komponistin: Anouar Brahem
Album: MADAR
Titel: Bahia/instr.
Solist/Solistin: Jan Garbarek /Saxophon
Ausführender/Ausführende: Anouar Braham /Ud
Ausführender/Ausführende: Ustad Shaukat Hussain /Tabla
Länge: 10:20 min
Label: ECM 5190752