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Punkt eins
Terra Australis Incognita
Über ein vielen unbekanntes Land vor den Parlamentswahlen am 3. Mai. Gast: Dr. Gabriele Weichart, Sozial- und Kulturanthropologin, Universität Wien. Moderation: Andreas Obrecht. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at
2. Mai 2025, 13:00
Schon in der Antike wurde gemutmaßt, dass es einen unbekannten südlichen Kontinent - eine Terra Australis Incognita - gibt. Im Mittelalter wurde dieser hypothetisch in Seekarten eingetragen, denn erst im 17. Jahrhundert entdeckten Europäer dieses riesige Land. Am "anderen Ende der Welt" gelegen, sind die mit Australien verbundenen Projektionen vielfältig: Von einer Sträflingskolonie zu einer, die indigene Bevölkerung vertreibenden und auch ermordenden Kolonialgesellschaft, von einem Goldrausch ab Mitte des 19. Jahrhunderts zur Formierung eines unabhängigen Staates, dem "Commonwealth of Australia" unter Beibehaltung der britischen Krone als Staatsoberhaupt, von einem klassischen Einwanderungsland zu einer multikulturellen, diversen, modernen Gesellschaft, die Menschen aus beinahe allen Ländern der Welt beherbergt. Rund 30% der heute in Australien lebenden Menschen sind in anderen Ländern geboren. Nach Jahrzehnten liberaler Einwanderungspolitik, wird die Migration ab den 1990er Jahren strikter geregelt - die Anforderungen für eine Einbürgerung sind massiv gestiegen.
Diesen Samstag wird, wie alle drei Jahre, das nationale Parlament in Australien gewählt. Rund 18 Millionen Australierinnen und Australier haben sich bereits registrieren lassen, das sind laut Konrad Adenauer Stiftung 98,2% der Wahlberechtigten. 2022 hat die Labor Party nach Jahren in der Opposition gewonnen, jetzt will die Koalition aus Liberal und National Party die Regierungsverantwortung zurückerobern.
Drängende Wahlkampfthemen sind Soziales, Energie- und Wirtschaftspolitik in Zeiten weltweiter handelspolitischer Verwerfungen, Klimapolitik - Australien leidet extrem unter steigenden Temperaturen, die zu Dürren und jährlichen Großbränden führen -, und vor allem die geopolitische Verortung zwischen den USA und China. Zwar ist schon seit längerem China größter Handelspartner, aber ideologisch stand und steht Australien immer auf Seiten des sogenannten Westens. Auf die unberechenbare Politik des US-amerikanischen Präsidenten muss genauso eine Antwort gefunden werden, wie auf neue Herausforderungen und geopolitische Bedrohungsszenarien - wie etwa die steigende chinesische militärische Präsenz im Indopazifik und im Südchinesischen Meer.
Die indigenen Einwohnerinnen und Einwohner Australiens besiedeln den Kontinent seit rund sechzigtausend Jahren. Sie wurden durch Landnahme und soziale Exklusion weitgehend marginalisiert - ihre Lebenserwartung liegt zwanzig Jahr unter dem Durchschnitt, die Kindersterblichkeit ist doppelt so hoch. Auch der politische Umgang mit den First Nations, also jenen knappen 3% der Bevölkerung, deren Vorfahren das Land ursprünglich gehörte, ist ein wichtiges Wahlkampfthema. Seit den 1990er Jahren gibt es vielfältige Bestrebungen, nicht Assimilation sondern Partizipation der indigenen Gesellschaften bei Anerkennung ihrer einzigartigen Kultur zu gewährleisten. So wurde auch viel Land restituiert, 17% der Gesamtfläche sind heute den indigenen Gruppen rechtlich zugesprochen, obwohl es sich dabei auch vielfach um wirtschaftlich kaum nutzbares Land handelt. Von einer umfassenden Territorialautonomie, vergleichbar mit den First Nations in Kanada, sind die Aborigines jedoch noch weit entfernt.
Gabriele Weichart forscht als Sozial- und Kulturanthropologin seit mehr als dreißig Jahren in Australien zu Fragen der Aboriginal Kultur und Gesellschaft, wobei sie sich eingehend mit indigener Kunst beschäftigt hat, die in mythologischen und religiösen Vorstellungen wurzelt. Mit ihr erörtert Andreas Obrecht vielfältige Aspekte eines hierzulande oftmals wenig bekannten Landes.
Welchen Konzepten von Multikulturalität folgt das Australien der Gegenwart? Inwieweit ist durch die Anerkennung der indigenen Kulturen aus einem "young country" ein "old country" geworden? Welche Rolle spielt Australien für die geopolitische Stabilität im südpazifischen Raum? Was hat es mit den Internierungslagern für Migrant:innen (zwischen 2013 und 2017) auf benachbarten Inseln auf sich? Welche Projektionen verbindet das "alte Europa" mit der Terra Australis Incognita? Wie hat sich die Demografie des Landes in den letzten Jahrzehnten gewandelt? Das Land verfügt mit Nickl-, Kobalt-, Seltenen Erden-Vorkommen, über wesentliche, für die Energiewende benötigte Rohstoffe - in welcher Weise wird sich die Energie- und Bergbaupolitik ändern? Wie lassen sich die zentralen gesellschaftlichen Veränderungen in den letzten dreißig Jahren beschreiben?
Wie immer freut sich die Redaktion über Ihre Teilnahme an dem Gespräch unter 0800 22 69 79 während der Sendung oder unter punkteins(at)orf.at
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- Andreas Obrecht