Du holde Kunst
Selma Merbaum: Frühwerk und Vermächtnis
"Da du weißt, wie rasch die Zarten untergehn" - Silvia Meisterle liest Gedichte von Selma Merbaum.
4. Mai 2025, 08:15
Selma Merbaum verfasste ihre Lyrik zwischen Mai/Juni 1939 und dem 24.12.1941 in Czernowitz, bevor sie im Zuge der Räumung des Ghettos im Juni 1942 mit ihrer Familie ins Lager Michailowka am Bug deportiert wurde, wo sie am 16. Dezember 18jährig am Flecktyphus starb. Die mütterlicherseits mit Paul Celan verwandte hochbegabte junge Frau konzipierte ihre Gedichte als lyrisches Journal mit zyklischem Aufbau, welcher den Willen zur Veröffentlichung nahelegt. Dazu kam es, nach zahlreichen rettenden Umwegen des handschriftlichen Albums, erst 1976 - als Privatdruck ihres alten Lehrers Hersch Segal in Israel, bevor schließlich 1980 bei Hoffmann und Campe eine Gesamtausgabe erschien. Die Durchlässigkeit zwischen Kunst- und Lebenswirklichkeit rückt diese Gedichte in die Nähe der neusachlichen Literatur, allerdings beziehen sie sich überwiegend auf innere Vorgänge, auf Seelisches wie Träume oder Sehnsucht, womit sie einen neuromantischen bis symbolistischen Zugang aufweisen. Liedhafte Formen stehen neben elegischen, langversigen oder dem aus der slawischen Tradition stammenden Poem. Mit "Poem" titelt auch jenes mit 07. Juli 1941 datierte Gedicht, das erschütternd unmittelbar auf die einen Tag zuvor erfolgte Besetzung von Czernowitz durch die SS reagiert. Es ist neben acht weiteren Gedichten von Selma Merbaum in der Sendung zu hören.
Service
Selma Meerbaum-Eisinger, Blütenlese. Gedichte. Reclam Verlag