Zerstörte Stadt im Gazastreifen

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Punkt eins

Seifenblasen im Staub von Gaza

Humanitäre Hilfe leisten: Zwei Helferinnen erzählen von ihren Einsätzen und Erfahrungen. Gäste: Katrin Glatz Brubakk, Trauma-Therapeutin, u.a. für Ärzte ohne Grenzen & Lisa Macheiner, Projektkoordinatorin und Einsatzleiterin u.a. bei Ärzte ohne Grenzen. Moderation: Barbara Zeithammer. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at

Seit Anfang März hatte Israel Hilfslieferungen in den Gazastreifen blockiert, fast drei Monate lang. Hilfsorganisationen warnen seit Wochen vor einer humanitären Katastrophe. Am Sonntag - kurz nach Beginn einer neuen Großoffensive - kündigte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu an, Hilfe wieder zuzulassen. Montagabend überquerten die ersten LKW mit humanitären Gütern die Grenze bei Kerem Schalom.

Was brauchen die Menschen in Gaza derzeit am dringendsten, wie ist die Lage dort? Wie wird humanitäre Hilfe organisiert und ist mit der Verteilung von Lebensmitteln und Trinkwasser genug getan? Was erleben Helfende in Gaza, bei ihren Einsätzen, in Begegnungen mit Menschen und Gesprächen mit Kolleg:innen? Wie bereiten sie sich auf diese Einsätze vor und wie geht es ihnen danach?

Seifenblasen dürfen nicht fehlen, wenn die norwegische Trauma-Therapeutin Katrin Glatz Brubakk in etwa zwei Monaten wieder für "Ärzte ohne Grenzen" nach Gaza aufbricht. Für einen kurzen Augenblick werden diese Seifenblasen "kleine Momente des Friedens und der Normalität" in den Krieg bringen und den Kindern helfen, die Angst zu vergessen, ihre Schmerzen nach Verbrennungen und Amputationen lindern. "Das mag banal klingen, doch durch das bewusste Atmen, das Lächeln und das Pusten beruhigt sich das Nervensystem", sagt Katrin Glatz Brubakk, "und so können wir verhindern, dass Traumata chronisch werden".

Nahezu die gesamte Zivilbevölkerung in Gaza - geschätzt 2,2 Millionen Menschen - ist auf Hilfe von außen angewiesen und es fehlt an allem: Nahrungsmittel, Trinkwasser, Medikamente, medizinische Ausrüstung, Treibstoff. Bis Ende Mai sollen in Zusammenarbeit mit den USA private Firmen die Essensverteilung übernehmen, um zu verhindern, dass die Hilfslieferungen in die Hände der islamistischen Terrororganisation Hamas geraten. Für Hilfsorganisationen wird es unterdessen immer schwieriger, die medizinische Notversorgung aufrecht zu erhalten. Am Donnerstag musste nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO das Europäische Krankenhaus seinen Betrieb einstellen, es war das letzte Spital mit Abteilungen für Krebs- und Herzbehandlungen im Gazastreifen.

"Wir sehen Kinder ohne Beine, Kinder ohne Kopf. Wenn man das erlebt, dann sind das keine abstrakten Zahlen mehr," sagt Lisa Macheiner, die mehrfach als Projektkoordinatorin und Einsatzleiterin unter anderem für "Ärzte ohne Grenzen" in Gaza tätig war, medizinische und psychosoziale Projekte leitet und davon erzählt. Témoignage - bezeugen - nennt sich dieser Teil der Arbeit von "Ärzte ohne Grenzen", wo es darum geht, hinzuschauen, wie Lisa Macheiner sagt, "dorthin, wo oft niemand hinsieht oder hinsehen will".

"Ein Krieg nimmt nicht nur Leben, er nimmt auch das, was ein Leben ausmacht", sagt Katrin Glatz Brubakk, seit 25 Jahren Trauma-Therapeutin und für Hilfsorganisationen u.a. auch häufig im Flüchtlingslager Moria auf Lesbos im Einsatz gewesen. In "Inside Moria: Europas Verrat an Moral und Menschlichkeit" kann man ihre Erfahrungen nachlesen; im Herbst erscheint ihr "Tagebuch aus Gaza" in deutscher Sprache.

Als Gäste in Punkt eins bei Barbara Zeithammer erzählen Lisa Macheiner und Katrin Glatz Brubakk von ihren Erfahrungen und Einsätzen aus persönlicher Perspektive und berichten von ihrer Reiseplanung über die Rückkehr in ein sicheres Leben in Innsbruck und Trondheim, vom "Alltag" im Kriegsgebiet, ihren Aufgaben, den Herausforderungen ihrer Arbeit und ihrer Motivation und Hoffnung.

Reden Sie mit über die Praxis humanitärer Hilfe unter 0800 22 69 79 oder schreiben Sie ein E-Mail an punkteins(at)orf.at

Service

Ärzte ohne Grenzen Österreich: Blog

Was will Israel im Gaza-Streifen erreichen? Darüber diskutiert Helene Seelmann im Journal Panorama Klartext am Mittwochabend mit Laura Leyser, Ärzte ohne Grenzen, Oberst Matthias Wasinger, Österreichisches Bundesheer, und David Kriegleder, ORF-Korrespondent Tel Aviv.

In Kontext, Freitag, 23. Mai, hören Sie unter anderem: "Genozid, Holocaust und Israel-Palästina": Omer Bartov versucht sich an einer radikalen Neudeutung von Begrifflichkeiten (Suhrkamp). Rezension: Erich Klein

Sendereihe

Gestaltung

  • Barbara Zeithammer