Gesprengter Bankomat

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Punkt eins

Bankomatsprenger: Der lange Arm der "Mocro Mafia"?

Ein neuer Modus Operandi der Organisierten Kriminalität fordert die Strafverfolgungsbehörden und gefährdet die Demokratie. Gast: Dr. Robin Hofmann, Assistenzprofessor für Strafrecht und Kriminologie, Universität Maastricht, Niederlande. Moderation: Barbara Zeithammer. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at

Ein gesprengter Geldautomat in Gmunden am 16. Mai, ein gestohlenes Auto, eine grenzüberschreitende Verfolgungsjagd mit der Polizei mit teils über 260 km/h. Die Täter verursachen einen Unfall, drei von vier Verdächtigen können festgenommen werden. Sie sind Niederländer mit marokkanischer Herkunft. In den Medien liest man vom langen Arm der niederländischen "Mocro Mafia". Was hat das zu bedeuten?

"Die begriffliche Trennung von Unter- und Oberwelt ist obsolet geworden. Kriminelle Strukturen sickern immer tiefer in die Gesellschaft ein und unterminieren ihre Institutionen," schreibt der Strafrechtler und Kriminologe Dr. Robin Hofmann bereits 2021 in einem Fachartikel über die "niederländischen Verhältnisse", die man in Deutschland und Österreich fürchtet.

Heuer wurden in Österreich bereits mehr Geldautomaten gesprengt als im gesamten vergangenen Jahr. Die Polizei vermutet "professionelle" Banden aus den Niederlanden dahinter, größere kriminelle Netzwerke, die in ganz Europa agieren. In Deutschland gab es 2024 etwa 400 Bankomatsprengungen, in Nordrhein-Westfalen eine beunruhigende Serie brutaler Gewalt und Sprengstoffanschläge. "Die Mocro Mafia ist in NRW angekommen", konnte man vielfach in den Schlagzeilen lesen. Der Begriff bezeichnet eine Tätergruppe aus den Niederlanden, die sich vornehmlich aus Marokkanern zusammensetzt ("Mocro" ist das niederländische Slangwort für Marokko).

Seit 2012 der prominente Journalist Peter de Vries in Amsterdam auf offener Straße erschossen wurde, ist der Begriff "Mocro Mafia" international bekannt und vor allem für die Brutalität der Verbrechen gefürchtet. Jedes Jahr wird in den Niederlanden etwa ein Dutzend Menschen im öffentlichen Raum mit automatischen Waffen wie Maschinenpistolen "regelrecht hingerichtet", sagt Robin Hofmann, der an der Universität Maastricht Strafrecht, Kriminologie und Kriminalistik lehrt und Organisierte Kriminalität, Drogenpolitik und die grenzüberschreitende Kooperation der Strafverfolgungsbehörden zu seinen Forschungsfeldern zählt.

Der Begriff "Mocro Mafia" ist ein mediales Schlagwort und kein Fachbegriff, sagt Robin Hofmann, die Täter sind keine homogene Gruppe. Experten und Ermittler beschreiben stattdessen einen neuen Modus Operandi, "violence-as-a-service" oder "crime-as-a-service" - Gewalt als Dienstleistung: In den abgehängten Vorstädten und Randbezirken von Rotterdam, Amsterdam und Utrecht werden junge Männer, Amateure, in digitalen Netzwerken für kriminelle Taten gezielt rekrutiert. Auch in Schweden ist diese Praxis in der Organisierten Kriminalität verbreitet.

Für die Strafverfolgungsbehörden Europas bedeutet das eine Fülle an Herausforderungen, auf die Europol heuer bereits mehrfach reagiert hat, unter anderem mit einer neuen Operativen Taskforce: Seit Ende April arbeiten die Strafverfolgungsbehörden von acht europäischen Staaten unter der Führung von Schweden zusammen, um der Rekrutierung junger Männer für das Organisierte Verbrechen beizukommen. Operation RapTor sorgte erst vor wenigen Tagen für Schlagzeilen: In 10 Ländern auf vier Kontinenten kam es bei der Großrazzia zu 270 Verhaftungen im Darknet-Milieu.

Was haben Bankomatsprengungen in Österreich mit den Niederlanden zu tun? Drohen auch hierzulande "niederländische Verhältnisse"? Wie konnte es in den Niederlanden so weit kommen und warum sind offensichtlich viele junge Männer bereit, für kriminelle Netzwerke Straftaten bis zum Mord zu begehen, warum mit derartiger Brutalität? Welche Rolle spielt die Drogenpolitik und welche Schlussfolgerungen sollten Staaten aus den Erfahrungen in den Niederlanden ziehen?

Der promovierte Jurist und Soziologe Robin Hofmann ist zu Gast bei Barbara Zeithammer zu einer kriminologischen Einordnung des Phänomens, dessen gesellschaftliche und demokratiegefährdende Dimension man nicht unterschätzen darf.

Stellen Sie Ihre Fragen, sprechen Sie mit unter 0800 22 69 79 oder schreiben Sie ein E-Mail an punkteins(at)orf.at

Sendereihe

Gestaltung

  • Barbara Zeithammer

Playlist

Urheber/Urheberin: Nino Rota
Titel: Love theme from The Godfather (Soundtrack from the Motion Picture)
Ausführender/Ausführende: Nino Rota & Carlo Savina
Länge: 02:39 min
Label: Paramount Records

Urheber/Urheberin: Nino Rota
Titel: Sicilian Pastorale 1
Ausführender/Ausführende: Nino Rota & Carlo Savina
Länge: 02:15 min
Label: Paramount Records

Urheber/Urheberin: Nino Rota
Titel: The Godfather Waltz 1
Ausführender/Ausführende: Nino Rota & Carlo Savina
Länge: 03:35 min
Label: Paramount Records

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