
APA/ROLAND SCHLAGER
Punkt eins
Tempolimits: Langsam schneller ans Ziel
Wie man den Verkehr beruhigt - und was es bringt. Gäste: Ass.Prof. Dipl.-Ing. Dr.nat.techn. Wolfgang J. Berger, Institut für Verkehrswesen, BOKU & Dr. Bettina Schützhofer, Klinische und Gesundheitspsychologin, Sachverständige für Verkehrspsychologie. Moderation: Xaver Forthuber. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at
18. Juni 2025, 13:00
Seit 2005 galt auf der Tauernautobahn eine Geschwindigkeitsbeschränkung nach dem Immissionsschutzgesetz Luft (IG-L), mehr oder weniger liebevoll "Lufthunderter" genannt. 2023 hob sie die schwarz-blaue Salzburger Landesregierung wieder auf. Umweltlandesrätin Marlene Svazek (FPÖ) nannte solche Tempolimits "ideologisch". Nun folgte die FPÖ-regierte Steiermark dem Beispiel, seit Karfreitag darf auf Teilen der A2 und A9 wieder durchgehend 130 gefahren werden. Landeshauptmann Mario Kunasek glaubt damit "täglich tausende Pendler" zu "entlasten". Der Zeitverlust durch die "reine Autofahrer-Schikane" (so zahlreiche Online-Kommentare) auf der durchschnittlichen Länge einer IG-L-Beschränkung liegt allerdings eher im Sekundenbereich.
Die Daten liegen seit Langem auf dem Tisch - und sprechen eine eindeutige Sprache. Eine Temporeduktion auf den Straßen führt zu einer wesentlichen Reduktion der Treibhausgas- und Stickoxidemissionen und auch des Straßenverkehrslärms. Eine Reduktion von 130 auf 100 km/h führt zu einer Lärmabnahme, die beinahe einer Halbierung der Verkehrsmenge entspricht; von 100 auf 80 km/h sinkt die Lärmbelastung nochmals um mehr als ein Drittel, hat das Umweltbundesamt errechnet. Tirols Landeshauptmann Anton Mattle von der ÖVP setzt sich daher nun für eine Erweiterung des Luftschutzgesetzes auf Lärm ein - wie immer auch mit Blick auf den LKW-Transit durch sein Bundesland.
Mit niedrigerer, aber konstanter Geschwindigkeit ließen sich auch viele Staus und Verkehrsengpässe vermeiden - vor allem aber wären wir alle sehr viel sicherer unterwegs, sagt Wolfgang Berger, Verkehrsforscher von der Universität für Bodenkultur (BOKU) Wien. Während meist über Autobahnen gesprochen wird, setzt er sich auch für eine Senkung des generellen Tempolimits auf anderen Straßen ein - 80 im Freiland, 30 im Ortsgebiet, jeweils mit Ausnahmen für geeignete Straßen, die ein höheres Tempo erlauben.
Diese Strategie empfiehlt auch der Arbeitsausschuss "Strategische Verkehrssicherheit" der Forschungsgesellschaft Straße - Schiene - Verkehr, geleitet von der Verkehrspsychologin Bettina Schützhofer. Der Ausschuss sucht auch regelmäßig Kontakt mit Politiker:innen - im Bewusstsein, dass es viele Vorbehalte gibt und auch bei der "Verkehrskultur" angesetzt werden muss. Den menschlichen Hang, schneller sein zu wollen - wenn auch nur gefühlt - und die Konsequenzen nicht unbedingt sofort mitzudenken, kennt sie auch als Leiterin eines Instituts, das Untersuchungen und Nachschulungskurse nach einem Führerscheinentzug anbietet.
Mehr und mehr Gemeinden entscheiden sich für Tempo 30; eine Novelle der Straßenverkehrsordnung hat das kürzlich erleichtert. Die höheren Verwaltungsebenen fahren weiterhin keinen einheitlichen Kurs - auch auf der diesjährigen Landesumweltreferent:innenkonferenz hat das Thema dem Vernehmen nach eher für Zank gesorgt.
Vor den nächsten absehbaren Urlaubsverkehrs- und Stau-Wochenenden spricht Xaver Forthuber mit Bettina Schützhofer und Wolfgang Berger - und mit Ihnen: Wie schnell möchten Sie fahren - und was könnte Sie dazu bringen, das Tempo zu reduzieren? Rufen Sie in der Sendung an unter 0800 22 69 79 oder schreiben Sie ein E-Mail an punkteins(at)orf.at
Sendereihe
Gestaltung
- Xaver Forthuber