
PICTUREDESK.COM/VISUM/PETER DUDDEK
Punkt eins
Diagnose: Chronische "Partikulitis"
Wie verbale Weichmacher die Sprache kapern. Gast: Prof. Wolfgang Kemp, Autor, Kunsthistoriker. Moderation: Alexander Musik. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at
27. Juni 2025, 13:00
"Irgendwie so total spannend - Unser schöner neuer Sprachgebrauch" heißt das neue Buch des Sprachkritikers und Kunsthistorikers Wolfgang Kemp. Mit dem Titel macht Kemp gleich auf mehrere neuralgische Punkte aufmerksam: das gehäufte Auftreten von "Umgehungsdeutsch" oder "verbalen Weichmachern", wie er sie nennt ("irgendwie", "so", "und so", "eh", "halt" "sozusagen"), und Floskeln, die Kemp als "Ultradeutsch" bezeichnet: "total", "genau", "absolut", "auf jeden Fall".
Untersucht hat Kemp nicht zuletzt die gesprochene Sprache; besonders Podcasts haben ihn interessiert, denn "im Podcast wird Alltagssprache auf das Niveau der veröffentlichten und gespeicherten Sprache hochgefahren bzw. mit dieser ausgehandelt", so Kemp in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk. Podcasts seien daher für ihn "die Quelle zur Betrachtung des heutigen Sprachgeschehens."
In der Tat existieren allein auf der Plattform "Spotify" rund 70.000 deutschsprachige Podcasts. Wolfgang Kemp konzentrierte sich auf Laber-Podcasts, in denen "der Zwang zur Zwanglosigkeit herrscht" - mit entsprechenden Folgen für die Sprache "unter den Bedingungen eines Nebenbei-Mediums", wie der Autor vermerkt.
"Sagen wir so oft "genau" , weil wir gleichzeitig alles mit "sozusagen" einnebeln?" fragt Wolfgang Kemp und stellt für den beobachteten unnötig hohen Partikel-Gebrauch die Diagnose: Partikulitis.
Kemp geht noch einen Schritt weiter: Kann es sein, dass zwei im 21. Jahrhundert allgegenwärtige menschliche Gesten - das (weiche) Wischen am Handy-Bildschirm und das (harte) Tippen auf einer Tastatur - Analogien zu "Umgehungsdeutsch" und "Ultradeutsch" sind? Jedes Wischen eine Geste ins Ungefähre, Beliebige und jeder Tastendruck "ein kleiner Dopamin-Stoß"?
Aber auch zu Sinn und Unsinn gegenderter Sprache, zu Social-Media-Sprech, zum entpersönlichten Behördendeutsch oder zum Wording, wie es in ministerialen Pressestellen oder im Kulturbetrieb zu hören ist, äußert sich Wolfgang Kemp, dessen sprachkritische Kolumnen in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" erschienen sind.
Alexander Musik diskutiert mit dem Autor und Kunsthistoriker Prof. Wolfgang Kemp über "unseren schönen neuen Sprachgebrauch".
Wie immer sind Sie eingeladen mitzudiskutieren: Welche Partikel und Floskeln fallen Ihnen im Sprachgebrauch (unangenehm) auf? Was macht Social-Media-Kommunikation mit der Sprache? Wann haben Sie zum letzten Mal einen Brief geschrieben? Schalten Sie Medien aus sprachkritischen Gründen aus - oder gar nicht mehr ein?
Rufen Sie an unter 0800 22 69 79 kostenfrei aus ganz Österreich und live während der Sendung oder schreiben Sie ein E-Mail an punkteins(at)orf.at
Service
Wolfgang Kemp: Irgendwie so total spannend. Unser schöner neuer Sprachgebrauch. Verlag zu Klampen.
Sendereihe
Gestaltung
- Alexander Musik
Playlist
Komponist/Komponistin: Caleb Gordon
Titel: You Can't Cancel Me
Ausführende: Caleb Gordon
Länge: 01:56 min
Label: self-released
Komponist/Komponistin: Colin Greenwood, Ed O'Brien, Jonny Greenwood, Phil Selway, Thom Yorke
Titel: No Surprises (davon 11 Sek. unterlegt)
Ausführende: Regina Spektor
Länge: 03:48 min
Label: Sire
Komponist/Komponistin: Jeff Gitelman, Joanna Levesque, Natalie Dunn, Rebekah Muhammad
Titel: Joanna (davon 3 Sek. unterlegt)
Ausführende: JoJo
Länge: 02:07 min
Label: Warner Records