Zwischenruf

Schule kann mehr

von Kim Kallinger, evangelische Kirchenrätin für Bildung

Mitte Juli - Sommerferien. Die Schulen sind geschlossen. Keine Hausübungen, keine Prüfungen und Referate - stattdessen süßes Nichtstun, Baden, Freunde treffen. Auch Lehrerinnen und Lehrer haben frei - und die Distanz zum Arbeitsalltag hilft vielleicht, das große Ganze mehr in den Blick zu nehmen.

Denn Schule ist mehr als Mathe und Matura, mehr als Latein und Laptopklassen. Schule ist für hunderttausende Kinder und Jugendliche in Österreich Tag für Tag ein sozialer Raum. Vielleicht der einzige Raum, in dem sie gesehen werden - wirklich gesehen. Wo sie dazugehören. Wo jemand fragt: "Wie geht's dir?".

Der gesetzliche Rahmen dazu ist klar: In der Bundesverfassung steht: "Im partnerschaftlichen Zusammenwirken von Schülern, Eltern und Lehrern ist Kindern und Jugendlichen die bestmögliche geistige, seelische und körperliche Entwicklung zu ermöglichen, damit sie zu gesunden, selbstbewussten, glücklichen, leistungsorientierten, pflichttreuen, musischen und kreativen Menschen werden. Das ist nicht nur ein netter Zusatz zum Bildungsauftrag - das hat Verfassungsrang. Schule ist auch Erziehung. Und zwar nicht im Sinne von autoritärer Dressur, sondern als Begleitung: auf dem Weg zu Empathie, Miteinander, Demokratie.

Und das passiert. In der Pause, wenn ein Kind einem anderen nach dem Stürzen aufhilft. Im Klassenzimmer, wenn Streit geschlichtet wird. An Projekttagen, bei Workshops, im gemeinsamen Lachen beim Sportfest. Erziehung geschieht in Beziehung - mit Lehrkräften, mit Mitschüler:innen, mit Sozialarbeiter:innen, mit Schulseelsorger:innen. All diese Menschen tragen Verantwortung - nicht nur für den Lernerfolg, sondern für das Zusammenleben.

Dabei erkennen Lehrerinnen und Lehrer oft früh, wenn etwas nicht stimmt. Wenn ein Kind sich immer mehr zurückzieht. Wenn jemand immer wieder aneckt, keine Freunde findet, an Anforderungen zerbricht. Sie sehen, was man im Notenbuch nicht sieht. Doch sie können und sollen das nicht allein lösen. Deshalb braucht es multiprofessionelle Teams. Schulpsycholog:innen, Sozialarbeiter:innen, Seelsorger:innen, Therapeut:innen. Sie sind kein "Extra", sie sind notwendig. Denn Schule steht mitten im Leben - und das Leben ist komplex. Kinder bringen Sorgen mit, Spannungen von zu Hause, psychische Belastungen, Armut, Einsamkeit. Schule kann diese Probleme nicht heilen, aber sie kann auffangen. Oder weitervermitteln. Oder wenigstens für ein paar Stunden am Tag ein sicherer Ort sein.

Die Verantwortung dafür liegt auch bei der Schulleitung. Sie muss Strukturen schaffen, die Raum geben für soziales Lernen: Klassenrat, Konfliktlotsen, Theaterprojekte, Exkursionen, Gesprächsräume. Und ja - auch Raum für das Scheitern, fürs Wiederaufstehen, für die Entwicklung von Haltung. Denn Bildung ist nicht nur Wissen. Bildung ist so gesehen auch Menschwerdung.

Wenn über die Zukunft der Schule gesprochen wird, dann muss auch das Platz haben: Nicht nur Digitalisierung, Lehrplan und Fachkräftemangel. Sondern auch Menschlichkeit, Zugehörigkeit und das große Ziel: junge Menschen stark zu machen - für sich selbst und für andere.

Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Louis Moreau Gottschalk
Album: LOUIS MOREAU GOTTSCHALK: KLAVIERWERKE, Vol.1
Titel: Le Banjo op.15 - Fantasie grotesque, amerikanische Skizze für Klavier
Solist/Solistin: Eugene List /Klavier
Länge: 04:00 min
Label: Vanguard Classics 08405071

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