Frantz Fanon

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Gedanken für den Tag

"Ich wollte Mensch sein, nur Mensch"

Brigitte Schwens-Harrant, Literaturwissenschaftlerin, Buchautorin und Feuilletonchefin der Wochenzeitung "Die Furche", zum 100. Geburtstag von Frantz Fanon

Als der Psychiater, Schriftsteller und Freiheitskämpfer Frantz Fanon am 20. Juli 1925 auf Martinique geboren wurde, war die Insel der Antillen noch eine französische Kolonie. Seit dem 17. Jahrhundert schufteten dort Sklaven für den Zuckerrohranbau. Erst 1848 wurde die Sklaverei offiziell abgeschafft.

Als Fanon als Sohn eines Beamten und einer Kauffrau geboren wurde, lebten etwa 2000 Nachkommen der Kolonisatoren auf dieser Insel. Seine Eltern gehörten nicht dazu. Maß aller Dinge war das weit entfernte und doch so nahe Frankreich. Die jeweilige Hautfarbe bzw. die jeweilige Gradierung "der Mischung Schwarzer und weißer Vorfahren" entschied über die Position in der gesellschaftlichen Hierarchie.

Das wirkte sich auch auf den Umgang mit der Sprache aus. Die Schulen lehrten Französisch, bürgerliche Familien verbaten ihren Kindern, Kreolisch zu sprechen. Sprache bedeutet Macht. In kolonisierten Gebieten wird das besonders deutlich. Denn dort, wo die eigene Kultur nichts gilt, muss man sich das Andere aneignen, um dazuzugehören, um wert zu sein. Und dort, wo die richtige Hautfarbe jenes Maß ist, an dem sich alles Menschsein messen muss, bekommt die dazugehörige Sprache enorme Bedeutung.

"Eine Sprache sprechen heißt, eine Welt, eine Kultur auf sich nehmen", schreibt Frantz Fanon. "Der Antillaner, der weiß sein möchte, wird desto weißer sein, je mehr er sich das kulturelle Werkzeug, welches die Sprache darstellt, aneignet." Der Wert eines Menschen bemisst sich in dieser kolonisierten Welt am Grad der Assimilation. Doch mit der Aneignung des Anderen geht das Schlechtmachen des Eigenen einher. Diesen oft krankmachenden Prozess der Entfremdung, der bis zum Selbsthass führen kann, wird der Psychiater Fanon später als gesellschaftliches Phänomen genauer in den Blick nehmen - und mit ihm Mechanismen des Rassismus und Antisemitismus.

Service

Alice Cherki, "Frantz Fanon. Ein Porträt", Edition Nautilus
Frantz Fanon, "Schwarze Haut, weiße Masken", Turia + Kant
Frantz Fanon, "Aspekte der Algerischen Revolution. Die Verdammten dieser Erde", Verlag Suhrkamp


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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Duke Ellington 1899 - 1974
Album: IN THE SIXTIES / DUKE ELLINGTON
Titel: Creole love call/instr.
Solist/Solistin: Duke Ellington
Orchester: Unbekannt
Länge: 01:00 min
Label: RCA PD 89565

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