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Punkt eins
Jetzt jandln
Ernst Jandl - der Dichter und die Strahlkraft seiner vielen Sprachen. Gäste: Dr. Vanessa Hannesschläger, Literaturwissenschaftlerin & Wolfram Berger, Schauspieler. Moderation: Andreas Obrecht. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at
1. August 2025, 13:00
Am 1. August wird der Geburtstag von Ernst Jandl vor einhundert Jahren im Programm von Ö1 mit einer ganzen Reihe von Sendungen und Hörbeispielen seiner Poesie gefeiert, die ab den 1960er Jahren ein völlig neues Sprachverständnis und damit eine radikal veränderte Sicht auf die Wirklichkeit gespiegelt hat.
Das Werk des vor 25 Jahren verstorbenen Dichters ist so vielfältig wie seine Sprachexperimente und Plurimedialität: Sprachregister und neue Grammatiken, Reduktion von Sprachkomplexität, die neuen Sprachsinn vermittelt, Sprech- und Lautgedichte, Wortmalereien, visuelle Poesie und Gedichtzeichnungen, immer wieder Sprache und Musik, vor allem Jazz, und natürlich auch Hörspiel und Theater. Ein Referenzrahmen seiner schriftstellerischen Arbeit war auch das von ihm bewunderte Werk der Dichterin Friederike Mayröcker, die er 1954 kennenlernte und der er zeitlebens intensiv verbunden blieb. Beide blieben ihrem Brotberuf als Mittelschullehrerin bzw. -lehrer einige Jahre treu, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmen konnten.
Ernst Jandl war ein Netzwerker und Pionier der konkreten Poesie, in der Sprache nicht mehr der Beschreibung eines Sachverhalts, eines Gedankens oder einer Stimmung dient, sondern selbst zum Inhalt, zum Zweck des Gedichtes wird. Auch Englisch war Jandl Dichtungs-, Umgebungs- und Arbeitssprache. Ein zentrales biographisches Ereignis war sein Auftritt am 11. Juni 1965 in der Londoner Royal Albert Hall, wo er gemeinsam mit anderen Avantgarde-Dichtern vor großem Publikum auftrat und viel Anerkennung erfuhr. In Österreich wurde Jandls Lyrik als Provokation sondergleichen empfunden. Trotz der heftigen Proteste von konservativer Seite ging Jandl unbeirrt seinen Weg. 1972 verlas er in der sogenannten "Grazer Erklärung" seine Kritik am österreichischen Schriftstellerverband P.E.N.-Club und leitete so, gemeinsam mit Alfred Kolleritsch, die Gründung der Grazer Autorenversammlung ein, der unter der Präsidentschaft von H.C. Artmann bald die wichtigsten Gegenwartsautoren und - autorinnen angehörten.
Ab den späten 1970er Jahren wurden der Dichter und seine vielen Sprachen auch hierzulande mehr und mehr anerkannt. Schließlich wurde Ernst Jandl mit Auszeichnungen und Ehrungen geradezu überhäuft - u.a. erhielt er den Großen Österreichischen Staatspreis, den Georg Büchner Preis und das Große Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich.
Der Schauspieler Wolfram Berger taucht in seinen Interpretationen in die vielfältigen Sprachformen und -möglichkeiten der Jandl`schen Lyrik ein. Die Literaturwissenschaftlerin Vanessa Hannesschläger hat in dem Projekt Ernst Jandl Online "eine "Biblio-Biographie" in drei Modulen" erarbeitet, den englischsprachigen Briefwechsel zwischen Ernst Jandl und dem Dichter Ian Hamilton Finlay herausgegeben und beschäftigt sich mit der Vielfalt seiner Sprachen und der Vielfalt seines unkonventionellen Lebens.
Vanessa Hannesschläger und Wolfram Berger sind Gäste bei Andreas Obrecht und wie immer freut sich die Redaktion über Ihre Teilnahme an dem Gespräch unter 0800 22 69 79 während der Sendung oder unter punkteins(at)orf.at
Service
Ernst Jandl Online, konzipiert und umgesetzt von Vanessa Hannesschläger, ist ein Projekt des Literaturarchivs der Österreichischen Nationalbibliothek in Kooperation mit dem Ludwig Boltzmann Institut für Geschichte und Theorie der Biographie (ein Institut der Ludwig Boltzmann Gesellschaft GmbH).
Buch:
Vanessa Hannesschläger (Hg.): Not a concret pot. Ernst Jandl - Ian Hamilton Finlay, Briefwechsel 1964 - 1985, Folio Verlag, Wien Bozen 2017
Sendereihe
Gestaltung
- Andreas Obrecht