Vorgestellt

Wiederentdeckt: Günter Raphaels Symphonie Nr. 1

Das RSO Wien plädiert unter Fabian Enders für die 1926 entstandene, kapitale Erste des 23-jährigen Günter Raphael, den wenig später die Nazis zum Schweigen bringen wollten: eine hörenswerte Ersteinspielung

Klavier, Orgel und Dirigieren hatte er studiert, natürlich auch Musiktheorie und nicht zuletzt Kontrapunkt, der 1903 geborene Günter Raphael. Sein Talent sollte er dann in seiner Heimatstadt Berlin bald nicht nur bei Gottesdiensten in evangelischen Kirchen beweisen, sondern auch bei Stummfilmaufführungen in Kinos: Kein Genre war ihm fremd. Mit 23 schon kam der hochbegabte Raphael als Dozent für Musiktheorie und Komposition ans Leipziger Konservatorium. Und dort wurde im selben Jahr 1926 auch sein symphonischer Erstling aus der Taufe gehoben - von keinem Geringeren als Wilhelm Furtwängler am Pult des Gewandhausorchesters.

In dieser großformatigen Symphonie Nr. 1 a-Moll op. 16 verleugnet Günter Raphael Vorbilder wie Bruckner oder Mahler nicht und will also hoch hinaus, findet aber dennoch einen eigentümlichen Ton: Seine Spielart der Moderne ist konservativ abgesichert, klingt ernst und streng, zerklüftet, kantig, klagend, dramatisch erregt - und immer wieder blüht sie schwärmerisch auf oder steigert sich zu glanzvoll schmetternden Höhepunkten.

Furtwängler war begeistert und setzte sich weiter für Raphael ein - doch der "Halbjude" wurde von den Nazis wenig später mit Berufs- und Aufführungsverbot belegt. Eine schwere Erkrankung bewahrte ihn vor weiterer Verfolgung, führt aber 1960 zu einem frühen Tod. Da hatte ihn allerdings die Nachkriegsavantgarde längst zum alten Eisen geworfen. Umso erfreulicher, dass der Dirigent Fabian Enders und das ORF Radio-Symphonieorchester Wien nun, 99 Jahre nach der Uraufführung, mit dieser Weltersteinspielung an den jungen, kühnen Symphoniker Günter Raphael erinnern.

Service

"Günter Raphael: Symphonie Nr. 1"
Ausführende: ORF Radio-Symphonieorchester Wien, Fabian Enders (Leitung)
Label: Prospero

Sendereihe

Gestaltung

  • Walter Weidringer