Gedanken
Nathalie Borgers - Filmregisseurin, Drehbuchautorin
"Jede/r Filmemacher/in bringt ihre/seine Sicht der Welt zum Ausdruck. Dieser Ausdruck ist natürlich sehr subjektiv, sagt aber viel darüber aus, wie er oder sie als Mensch ist und zur Welt steht, auch politisch. Daher ist jedes künstlerische Werk auf irgendeine Weise politisch."
7. September 2025, 09:05
Die Belgierin Nathalie Borgers, Jahrgang 1964, besuchte in Brüssel die Universität. Zunächst interessierte sie sich für Publizistik und Journalismus, wandte sich aber bald der Filmregie und dem Drehbuchschreiben zu. Sie ging nach San Francisco an die National Academy of Television Arts and Sciences (NATAS), gewann im Jahr 1989 einen Preis für "Documentary Writing" und verwirklichte einige Kurzdokumentationen als Regisseurin und Produzentin.
1992 zog sie nach Wien und arbeitete an der eben gegründeten Filmverleih Sixpack mit.
Zwei Jahre später drehte sie - inzwischen nach Paris übersiedelt - "Truth Under Siege", einen Dokumentarfilm über den Jugoslawienkrieg. Dieser Film war - vielfach ausgezeichnet - einer ihrer ersten großen Erfolge. Die nächste Dokumentation, die Aufsehen erregte, drehte sie 2002 wieder in Wien: "Kronen Zeitung, Tag für Tag ein Boulevardstück". Darin setzte sie sich kritisch mit der auflagenstärksten Zeitung Österreichs auseinander. Den kritischen Blick auf die Welt, in der sie lebt, behielt sich Nathalie Borgers bis heute. "Fang den Haider", den sie fünf Jahre nach Haiders Tod 2008 drehte, ist eine subjektive Reise durch politische, traditionelle, familiäre und emotionale Welten. Der Film versucht einen Einblick in die wirkliche Person Haiders, abseits seiner Widersprüchlichkeit, seiner Ziele und Strategien zu geben.
Im Film "Liebesgrüße aus den Kolonien" setzt sich Borgers mit der eigenen Familiengeschichte auseinander, die eng verbunden mit der damaligen belgischen Kolonie Ruanda ist. Sehr spät erfuhr Nathalie Borgers, dass sie eine halb-afrikanische Tante hatte. Dieser Film und auch "The Remains - Nach der Odyssee", in dem das Schicksal von Flüchtenden im Mittelpunkt steht, wurde mehrfach ausgezeichnet. Auf ihrer Überfahrt nach Europa haben in den letzten 25 Jahren mehr als 30.000 Menschen im Mittelmeer den Tod gefunden - diesen kalten Zahlen stellt Nathalie Borgers mit ihrem Dokumentarfilm ihren Blick auf unmittelbar Betroffene und deren Schicksale gegenüber.
Ihr aktueller Film "Narben eines Putsches", der schon bei den Internationalen Filmfestspielen in Berlin in der Kategorie Forum Special vertreten war, setzt sich mit Vergangenheit ihres Ehemannes Abidin, der in den 1970er Jahren in der Türkei gegen das Regime revoltierte und nach dem Putsch nach Wien floh, auseinander. Die Regisseurin begibt sich auf eine persönliche Suche, um herauszufinden, was sich hinter den Narben am Körper ihres Mannes verbirgt. Sie findet heraus, wie der gewaltsame Umbruch die türkische Gesellschaft veränderte und den Weg zum autoritären Regime und der politischen Re-Islamisierung des Landes ebnete. Kinostart ist der 6. September 2025.
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