Ö1 Hörspiel
"Ja heißt ja, und.?" von Carolin Emcke
Der Hashtag #MeToo wurde 2017 zum Symbol für eine Debatte über Gewalt und das Verhältnis von Geschlechtern. Dieser Diskurs ist nicht mehr verstummt und darf es auch nicht. Die Philosophin Carolin Emcke lässt in dem Hörspiel "Ja heißt ja, und.?" Frauen über Erwartungen und Prägungen sprechen.
13. September 2025, 14:00
Im Oktober 2017 erhoben zahlreiche Frauen erstmals öffentlich ihre Stimme gegen den amerikanischen Filmproduzenten Harvey Weinstein - sie berichteten von sexueller Belästigung, Nötigung und Vergewaltigung. Was folgte, war mehr als die Enthüllung eines einzelnen Machtmissbrauchs: Der Hashtag #MeToo steht heute weltweit für die öffentliche Auseinandersetzung mit Machtmissbrauch, sexueller Gewalt und patriarchalen Strukturen.
Millionen von Frauen - und auch einige Männer - meldeten sich seither zu Wort. Sie erzählten von Demütigungen, Abhängigkeiten und Grenzverletzungen. Der Diskurs über Sexualität, Machtverhältnisse und Gleichheit ist seither nicht mehr verstummt - und darf es auch nicht. Die Philosophin und Friedenspreisträgerin Carolin Emcke gehört zu jenen, die diesen Dialog mit analytischer Schärfe und sprachlicher Sensibilität weiterführen. In ihrem Essay Ja heißt ja, und.? - der 2019 als akustische Spurensuche auch als Hörspiel adaptiert und erweitert wurde - spürt sie der Frage nach, wie wir heute über Lust und Unlust sprechen können, ohne zu vereinfachen, zu moralisieren oder zu tabuisieren.
Welche Begriffe und Bilder formen unser Verständnis von Begehren? Welche kulturellen Normen und gesellschaftlichen Strukturen schreiben Männern wie Frauen - und allen dazwischen - bestimmte Rollen zu? Was wird verschwiegen, wer bleibt ohnmächtig, wer wird gehört? Und wie lässt sich Sexualität in ihrer Vielfalt ermöglichen, ohne Gewalt zu verharmlosen und ohne Lust zu unterdrücken?
Die #MeToo-Bewegung hat nicht nur ein neues Sprechen über sexualisierte Gewalt ermöglicht, sondern auch die Frage aufgeworfen, wie ein selbstbestimmtes, gleichberechtigtes Begehren jenseits von Machtasymmetrien denkbar ist. Frauen sprechen über Erfahrungen und Prägungen, über Bademäntel, über Medienhypes und über die tief verwurzelte Annahme, selbst daran schuld zu sein.
Zur Autorin: Carolin Emcke, geboren 1967, studierte Philosophie in London, Frankfurt/Main und Harvard. Sie promovierte über den Begriff "kollektiver Identitäten". Von 1998 bis 2013 bereiste Carolin Emcke weltweit Krisenregionen und berichtete darüber. 2003/2004 war sie als Visiting Lecturer für Politische Theorie an der Yale University. Sie ist freie Publizistin und engagiert sich immer wieder mit künstlerischen Projekten und Interventionen, u.a. die Thementage "Krieg erzählen" am Haus der Kulturen der Welt.
"Ja heißt ja.und?" von Carolin Emcke, mit Petra Morzé, Katharina Knap, Pippa Galli, Raphael von Bargen und Gerhard Naujoks, Schnitt: Manuel Radinger, Ton: Anna Kuncio, Bearbeitung und Regie: Kerstin Schütze (ORF 2021)
Service
Homepage von Carolin Emcke
Carolin Emcke, "Stumme Gewalt.?Nachdenken über die RAF", S. Fischer Verlag 2008
Carolin Emcke, "Wie wir begehren", S. Fischer Verlag 2012
Carolin Emcke, "Weil es sagbar ist.?Über Zeugenschaft und Gerechtigkeit", S. Fischer Verlag 2013
Carolin Emcke, "Gegen den Hass", S. Fischer Verlag 2016
Carolin Emcke, "Ja heißt Ja und.?", S. Fischer Verlag 2019
Carolin Emcke, "Journal. Tagebuch in Zeiten der Pandemie", S. Fischer Verlag 2021
Carolin Emcke, "Für den Zweifel. Gespräche mit Thomas Strässle", Kampa Verlag, Zürich 2022
Carolin Emcke, "Was wahr ist. Über Gewalt und Klima", Wallstein Verlag, Göttingen 2024
Sendereihe
Gestaltung
- Elisabeth Weilenmann