Punkt eins
Von wegen: Babyspeck
Risiko und Maßnahmen bei Übergewicht und Adipositas im Kindesalter. Gäste: Univ.-Prof. Dr. Kurt Widhalm, Präsident des Österreichischen Akademischen Instituts für Ernährungsmedizin (ÖAIE), Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde & Eva Winzer, PhD, Zentrum für Public Health der Medizinischen Universität Wien. Moderation: Marina Wetzlmaier. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at
15. September 2025, 13:00
Erstmals kommen laut dem Kinderhilfswerk Unicef Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen weltweit häufiger vor als Untergewicht. Ursache ist die ständige Verfügbarkeit von ungesunden Lebensmitteln im Umfeld der jungen Menschen. Nahrhafte Optionen seien oft weniger leistbar und erhältlich, während stark verarbeitete und gezuckerte Lebensmittel aggressiv vermarktet werden.
Vor allem digitale Kanäle spielen für die Bewerbung ungesunder Lebensmittel eine wachsende Rolle. Junge Influencer:innen präsentieren auf YouTube, TikTok und anderen Plattformen Produkte, die laut WHO-Richtlinien nicht an Kinder vermarktet werden sollten, stellte ein Forschungsteam der Medizinischen Universität Wien fest. In einer Studie wurden 162 Videos mit 901 Darstellungen von Lebensmitteln von sieben deutschsprachigen Influencer:innen analysiert. Zwei Drittel der beworbenen Produkte enthielten zu viel Fett, Zucker und Salz. Die Methoden können subtil sein: Kinder und Jugendliche sehen auf den Videos wie ihre Vorbilder Energydrinks, Eistees, Schokolade, Fruchtgummis, Kekse oder Chips oft neben anderen Tätigkeiten konsumieren und genießen. In anderen Fällen wird aktiv zu viralen Wettessen aufgerufen. "Diese Produktdarstellungen beeinflussen die Essgewohnheiten der jungen Menschen und erhöhen das Risiko für die Entstehung von Übergewicht und Adipositas", warnt Studienleiterin Eva Winzer von der MedUni Wien.
Ebenso wie der Unicef-Bericht betonen Wissenschaftler:innen den dringenden Handlungsbedarf und die Notwendigkeit von gesetzlichen Vorgaben, um die Gesundheit junger Menschen zu schützen. Ernährung ist nicht nur eine individuelle Entscheidung, sondern ist auch von sozialen, politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen abhängig. Zum Ernährungsumfeld der Kinder und Jugendlichen zählt auch die Schule. Dort setzte beispielsweise Mexiko an, das Unicef als positives Beispiel hervorhebt: in öffentlichen Schulen dürfen stark verarbeitete Lebensmittel mit hohem Salz-, Zucker- und Fettgehalt nicht mehr verkauft werden.
Prävention in der Schule ist ganz wesentlich, betont Kurt Widhalm, Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde und Präsident des Österreichischen Akademischen Instituts für Ernährungsmedizin (ÖAIE). Er initiierte das Projekt EDDY, ein Präventionsprogramm für Volksschulen zur Eindämmung von Adipositas bei Kindern. In Zusammenarbeit mit dem Institut für Sport- und Bewegungswissenschaft der Universität Wien wurde ein Konzept erstellt, das Ernährungsschulung und Sportprogramme kombiniert. Die Lebensqualität von Volksschulkindern konnte dadurch nachweislich verbessert werden.
Wie können Präventionsprogramme flächendeckend umgesetzt werden? Wann endet die Zeit des sogenannten "Babyspecks" und wann spricht man von Übergewicht? Wo setzen Therapien und Behandlungen an? Welche Rahmenbedingungen brauchen Kinder und Jugendliche, um sich nachhaltig gesund ernähren zu können? Welche Regulierungen sind notwendig? Wie beeinflussen Essgewohnheiten in der Kindheit die Gesundheit im Erwachsenenalter?
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