Solmaz Khorsand

LUIZA PUIU

Gedanken für den Tag

Eine Frage der Würde

von Solmaz Khorsand, Journalistin

Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Man kennt diese Sätze. Sie wirken etwas abgedroschen, wie Sonntagsreden, weil die Würde immer nur dann erwähnt wird, um sich zu vergegenwärtigen, dass der Mensch keine Sache ist, die an Wert verliert. Als hätte man es vergessen.

"Ein Individuum beruft sich auf den Begriff der Würde, wenn es der Ansicht ist, dass eine Form von Innerlichkeit verletzt wurde, dass etwas Irreduzibles, Unerreichbares im Begriff ist, zunichtegemacht zu werden, und nicht nur eine äußere Hülle", schreibt die französische Philosophin und Psychoanalytikerin Cynthia Fleury in ihrem Buch "Die Klinik der Würde". Es ist eine Streitschrift, diesen Begriff, der omnipräsent ist, zu entkitschen und echtes Leben einzuhauchen. Denn um die Würde als Wert und als Praxis sei es schlecht bestellt, sagt Fleury. Unsere Gesellschaften seien längst geteilt entlang einer Achse, in jene, die Würde geben, und jene, denen sie verweigert wird. Und die Angst zu letzteren zu zählen, normiert uns, bestimmt unsere Lebensführung.

Diese Angst haben wir verinnerlicht, weil wir fürchten, jederzeit in die Unwürde abgleiten zu können. Das passiert ohnehin, aber nicht wie wir uns das gemeinhin vorstellen, stellt Cynthia Fleury klar: Denn unwürdig seien nicht diejenigen, schreibt Fleury, "die unter unwürdigen Bedingungen leben, sondern diejenigen, die diese Bedingungen schaffen und tolerieren." Und dessen machen wir uns doch alle schuldig irgendwie, nicht wahr?

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Robert Schumann 1810 - 1856
Titel: Adagio und Allegro für Oboe und Klavier in As-Dur op.70
Solist/Solistin: Heinz Holliger
Solist/Solistin: Alfred Brendel
Länge: 09:23 min
Label: Philips 4168982

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