
LUIZA PUIU
Gedanken für den Tag
Unwürdig
von Solmaz Khorsand, Journalistin
1. Oktober 2025, 06:57
"Das ist unter meiner Würde." - So erhaben dieser Satz daherkommen mag, so bitter klingt er. Wie viele Jobs hat man in seinem Namen abgelehnt, wie viele Menschen abgewiesen, wie viele was-wäre-wenn-Möglichkeiten sich versperrt? Als würde diese Würde an einem Job oder einem anderen Menschen hängen.
In ihrem Buch "Marzahn, mon amour" beschreibt die deutsche Autorin Katja Oskamp ihren Werdegang von der Schriftstellerin zur Fußpflegerin in der Berliner Plattenbausiedlung Marzahn. Ein fulminanter Absturz diagnostizierte ihr Umfeld. Eindeutig unter ihrer Würde. "Keiner von uns war auf direktem Weg hier gelandet, jede irgendwo abgeprallt, steckengeblieben, nicht weitergekommen", schreibt Oskamp über die ersten Tage ihrer Ausbildung. "Wir wussten, wie Scheitern sich anfühlt. Wir waren demütig und bescheiden und kleinlaut geworden, bereit, unsere Vorgeschichten zu vergessen, unsere Leistungen auszuradieren und uns wie unbeschriebene Blätter zu verhalten. Wir waren ganz unten bei den Füßen angelangt ..."
Und es sollte sich als Rettung erweisen, als regelrechte Erdung mit der Welt und mit sich selbst. Ein Andocken an das Menschsein. Das Bittere, das Oskamp bislang vor sich hertrug, war plötzlich abgefallen.
Diese Arroganz, dass es etwas gebe, für das jemand wie sie zu gut war, und damit indirekt implizierte, dass jemand anderer gerade gut genug war, war weg. Plötzlich war da etwas, was bislang nur Theorie, niemals Praxis war. Das Pathos um die Würde, das in Wahrheit nur den eigenen Dünkel verschleierte, war verschwunden. Und jenes der anderen spielte keine Rolle mehr.
Service
Sendereihe
Gestaltung
Playlist
Komponist/Komponistin: Johann Sebastian Bach 1685 - 1750
Titel: Sonate Nr.4 in e-moll BWV 528 für Oboe d'amore, Viola und Continuo
* Andante - 2.Satz (00:04:09)
Solist/Solistin: Heinz Holliger
Solist/Solistin: Christiane Jaccottet
Solist/Solistin: Tabea Zimmermann
Länge: 04:09 min
Label: Philips 4223282