Österreichische Fahne

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Punkt eins

Österreichs Neutralität: Wir müssen reden

Das Wesen der Neutralität und die heißen Eisen einer Diskussion. Gäste: Dr. Franz Cede, & Dr. Ralph Janik, Assistenzprofessor an der Sigmund Freud Privatuniversität, Lehrbeauftragter an der Universität Wien, der Andrassy Universität in Budapest, der Universität der Bundeswehr in München. Moderation: Barbara Zeithammer. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at

"Auslaufmodell Neutralität?" Oft totgesagt und doch nicht wegzudenken, immer emotional diskutiert, gilt die Neutralität den einen als vermeintlicher Garant des Friedens in einer zunehmend unsicheren Welt, den anderen als Vorwand, sicherheitspolitisch passiv zu bleiben, einigen als Teil der kollektiven Identität und manchen als verzichtbares Relikt einer längst vergangenen Zeit.

Was bedeutet Österreichs Neutralität heute? Ist sie noch zeitgemäß? Und mit welchen heißen Eisen einer Diskussion um das Konzept sollten wir uns auseinandersetzen?

"Man hat oft das Gefühl, dass Diskussionen über die österreichische Sicherheitspolitik immer auf dasselbe hinauslaufen: Neutralität, ja oder nein. NATO-Beitritt, ja oder nein. Für mich ist das eine arg verkürzte Fragestellung", liest man in dem soeben erschienenen Buch "Auslaufmodell Neutralität? (Michael Wagner Verlag), in dem der Diplomat und Politik- und Rechtswissenschaftler Franz Cede als Stimme der Praxis und der Völkerrechtsprofessor Ralph Janik als Stimme der Rechtwissenschaft höchst informativ und zugleich erfrischend unterhaltsam die "Geschichte und Gegenwart eines österreichischen Mythos" analysieren.

Nicht erst seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine oder der Abkehr der USA von Verbindlichkeiten und der transatlantischen Partnerschaft, tut eine ehrliche, sicherheitspolitische Debatte im Land Not. "In Österreich wird eine sachliche Debatte über die Sicherheitspolitik durch ein mittlerweile in die Unantastbarkeit entrücktes Neutralitätsverständnis blockiert", schreibt Ex-Außenministerin Ursula Plassnik in einem Kommentar vor wenigen Tagen. Das zeigte sich einmal mehr Ende August, als der russische Ex-Präsident Dmitri Medwedew Österreich bei einem NATO-Beitritt mit Militärgewalt drohte. Außenministerin Beate Meinl-Reisinger betonte einmal mehr: "Es sind ausschließlich die Österreicherinnen und Österreicher, die souverän und frei über unsere Sicherheit und unsere Freiheit entscheiden und niemand sonst."

Um darüber umfassender ins Gespräch zu kommen, fand am 27. September in Innsbruck das erste von drei Bürgerforen statt, in denen die Regierung eine sicherheitspolitische Debatte mit der Bevölkerung anregen möchte. Am 4. Oktober findet in Klagenfurt das zweite Bürgerforum statt, dann folgt Salzburg mit dem Ziel, bis Weihnachten eine neue Sicherheitsstrategie zu erarbeiten. Erst 2024 war eine solche fertiggestellt worden, an der Ralph Janik als einer von wenigen nominierten Experten mitgearbeitet hat - doch die Zeiten haben sich seither geändert.

"Die Neutralität verlangt nicht, dass man keine Meinung hat, sich allgemein aus allem heraushält oder zu beiden Streithähnen gleich nett ist, auch wenn einer den anderen attackiert und der nur seine Ruhe will. Man kann mit der Neutralität sehr aktiv Politik machen," schreiben Franz Cede und Ralph Janik und bringen mit ihrem Buch nicht nur Licht, sondern auch Sachlichkeit in die höchst emotionale Debatte um die Neutralität. Die Leserin, der Leser erfährt, dass es verschiedene Neutralitäten gibt - so auch eine "opportunistische" oder "zynische" - dass zwischen Neutralitätsrecht und Neutralitätspolitik tunlichst unterschieden werden muss, dazu Details aus dem Nähkästchen der Diplomatie rund um den Staatsvertrag oder den EU-Beitritt, von Rechten, Pflichten und entscheidenden Bewährungsproben. Vor allem aber zeigt sich, wie sich das, was wir unter Neutralität verstehen, gewandelt hat und wandeln kann: "Ihre große Bedeutung liegt gerade in ihrem unbestimmten Inhalt", schreibt Ralph Janik in einem seiner Essays an anderer Stelle über die Neutralität als "politische und emotionale Projektionsfläche".

Was folgt daraus für die Debatte um eine gegenwärtige Sicherheitspolitik? Was ist das Wesen der Neutralität in der Gegenwart? Steht sie wirklich im Staatsvertrag und was bedeutet "immerwährend"? Wie verhält es sich mit der Schutzfunktion der Neutralität, mit der bewaffneten Neutralität, zu der sich Österreich verpflichtet hat, mit der Neutralität in Zeiten der EU-Mitgliedschaft und neuen Initiativen wie Sky Shield? Und was antworten die Autoren auf ihren Buchtitel: Ist die Neutralität ein Auslaufmodell?

Diskutieren Sie mit Franz Cede und Ralph Janik unter 0800 22 69 79 und schreiben Sie uns per E-Mail an punkteins(at)orf.at

Service

Buch:
Franz Cede, Ralph Janik: Auslaufmodell Neutralität? Geschichte und Gegenwart eines österreichischen Mythos. Michael Wagner Verlag, 2025.

Sendereihe

Gestaltung

  • Barbara Zeithammer