
LUIZA PUIU
Gedanken für den Tag
Der Preis der Würde
von Solmaz Khorsand, Journalistin
3. Oktober 2025, 06:57
Seine Würde zu bewahren, kann kostspielig sein. Leichter wäre es oft, sich zu arrangieren. Besser eine verstümmelte Version seiner selbst zu leben, ein wenig Würde einzubüßen - oder auch ein bisschen mehr -, statt sein Innerstes den Takt vorgeben zu lassen - weil das schon einmal Verzicht, Abstieg oder gar Gefahr bedeuten könnte.
Im Film "Witness" des iranischen Regisseurs Nader Saeivar sehen wir so eine Frau, die bereit ist, diesen Preis zu zahlen. Sie kann nicht anders. Die pensionierte Tanzlehrerin Tarlan Ghorbani legt sich immer wieder mit dem Regime an. Nach Jahrzehnten hat die Gewerkschafterin Übung darin, kennt die Spielchen jener, die zu Nutznießern der Islamischen Republik geworden sind. Die andere einschüchtern, ihnen das Leben zur Hölle machen, insbesondere jenen, die ihren eigenen Kompass haben, die aufmucken. Und Frau Ghorbani muckt auf. Nicht aus Heldenmut, eher aus Verzweiflung. Sie kann nicht anders.
Es ist vermutlich die eindringlichste Szene im ganzen Film, wenn ihr Sohn ihr genau das vorwirft: "Ich wünschte, du wärst nicht die Heldin deiner Gewerkschaft. Dann hätten du und Papa mir nach all den Jahren der Arbeit in diesem Höllenloch ein kleines Haus hinterlassen. (..) Ich erbe nur die Konsequenzen deiner politischen Spielchen", liest er ihr die Leviten.
In den Abgrund hat er sie gezogen mit ihren Prinzipien, zu einem Leben im Elend verdammt, weil sie sich an Abstraktionen kettet: von richtig und falsch, von Würde, von Anstand, von Moral. All das kann man nicht essen, gibt kein Dach über den Kopf und bewahrt einen nicht vor dem Gefängnis. Wozu das alles dann also? Was hat es für einen Wert, nicht anders zu können?
Service
Sendereihe
Gestaltung
Playlist
Komponist/Komponistin: Georg Philipp Telemann 1681 - 1767
Titel: Sonate für 2 Oboen Nr.4 in h-moll
* Largo - 1.Satz (00:03:10)
Solist/Solistin: Ingo Goritzki
Solist/Solistin: Burkhard Glaetzner
Länge: 03:10 min
Label: Claves 508801