Arbeitslosigkeit

18. Oktober 2025, 06:57

Eine ältere Frau, blaues Sakko, karierte Hose. Sie steht auf einem Betonsockel, hinter ihr ein runder Fabriksbau. Früher war das eine der größten Chemiefabriken der DDR, mit 8000 Arbeiterinnen - der höchste Frauenanteil des Landes. Heute ist fast nichts mehr davon geblieben - außer Erinnerungen.

Dieses Foto und ein zweites darunter sind derzeit in unserer Ausstellung "Alles in Arbeit" zu sehen. Auf dem zweiten Bild sieht man den gleichen Sockel, aber darauf eine Bronzefigur, betitelt mit "Die Chemiearbeiterin", 1964 errichtet im Stil des sozialistischen Realismus. Modell stand damals genau diese Frau. Die Statue ist nach dem Mauerfall abmontiert worden. Auf dem Foto steht nun die ehemalige Arbeiterin selbst dort - als lebende Plastik. Sie verkörpert nicht nur den Verlust eines Denkmals, sondern auch die Lücke, die die Wende hinterlassen hat.

Gleich daneben läuft ein dokumentarisches Video zum Projekt - mit Gesprächen, Entwürfen, gemeinsamen Arbeiten. Die Otto-Mauer-Preisträgerin Isa Rosenberger hat es 2005 zusammen mit arbeitslosen Frauen in Wolfen realisiert. Dieses "Denkmal für das Frauenzentrum" begeistert mich, da ich mich im Zuge der Vorbereitungen für unsere aktuelle Ausstellung intensiv mit Beschäftigungsverhältnissen und Arbeitslosigkeit von Frauen auseinandergesetzt habe. Rosenberger zeigt beides nicht nur als Schicksal, sondern auch als Handlungsmacht.

Besonders eindrucksvoll: Die Bilder und Geschichten dieses Projekts erzählen nicht nur von Verlust, sondern vor allem von Mut und Neubeginn - von der Kraft, den eigenen Platz im Leben neu zu gestalten, auch wenn der Sockel unter uns verschwunden ist. Genau darin liegt die Stärke der Kunst: nicht nur zu erinnern, sondern neue Wege sichtbar zu machen.

Service

Podcast abonnieren

Sendereihe

• Gedanken für den Tag

Gestaltung

• Alexandra Mantler