Zwischenruf
"Zu dienen" - aber wem?
von Karl-Reinhart Trauner, evangelisch-lutherischer Militärsuperintendent
26. Oktober 2025, 06:55
Am Nationalfeiertag findet seit vielen Jahren am Wiener Heldenplatz eine große Angelobung des Bundesheeres statt. Besonders eindrücklich ist es, wenn die jungen Soldatinnen und Soldaten ihr Gelöbnis beenden mit einem lauten ". zu dienen".
Als Angehörige des Militärs tun sie dies, indem sie - so der offizielle Wortlaut - ihr "Vaterland, die Republik Österreich, und sein Volk ... schützen und mit der Waffe ... verteidigen." Nicht untergehen darf dabei aber, wem sie seit 1955, der Aufstellung des Bundesheeres, zu dienen geloben: "Ich gelobe, . der Republik Österreich und dem österreichischen Volke", der Bevölkerung, zu dienen.
Österreich feiert 2025 nach einem blutigen Zweiten Weltkrieg mit Millionen Toten 80 Jahre Frieden, 70 Jahre Freiheit, als Ausdruck dessen auch 70 Jahre Bundesheer. Ganz anders als die Angelobung von heute klang die Vereidigung in der NS-Zeit, die die Angehörigen der deutschen Wehrmacht dazu verpflichtete - ich zitiere -, "dem Führer des Deutschen Reiches und Volkes, Adolf Hitler, . unbedingten Gehorsam (zu) leisten". Da geht es nicht um den Dienst an der Bevölkerung, sondern den "unbedingten Gehorsam" gegenüber einem extremistischen Politiker.
Nach einer Begriffsbestimmung des Bundesheeres versteht man unter Extremismus eine "Schwarz-Weiß-Sichtweise, ein unkritisches Festhalten an einer Ideologie, . einen Absolutheitsanspruch". . der bei Hitler noch religiös untermauert wurde. Denn die Unterscheidung zwischen einer Angelobung und einer Vereidigung ist weit mehr als nur eine sprachliche Spitzfindigkeit. Ein Eid bezieht sich auf Gott: "Ich schwöre bei Gott, dem Allmächtigen .", die Angelobung ist ein Versprechen, eine Selbstverpflichtung, und zwar gegenüber anderen Menschen, der Gesellschaft, dem Staat. - Nicht Gott, sondern die österreichische Gesellschaft ist im Blick!
Anfang August hat das Bundesheer in der Rossauer Kaserne in Wien, dem Sitz des Verteidigungsministeriums, feierlich des österreichischen militärischen Widerstandes gedacht. Die Kaserne trägt den Traditionsnamen Bernardis-Schmid. Oberstleutnant im Generalstab Robert Bernardis war der einzige enge Mitarbeiter Stauffenbergs aus Österreich beim - erfolglosen - Attentat auf Hitler im Juli 1944, Feldwebel Anton Schmid verhalf zahlreichen Jüdinnen und Juden zur Flucht.
Bernardis kam deshalb zum Widerstand, weil er die Menschenverachtung während des Russlandfeldzugs miterleben musste. Er hat einmal davon gesprochen, dass es dem Widerstand um - ich zitiere - "Gottesfurcht anstelle von Selbstvergottung" gehe. Es geht also gegen eine extremistische Überhöhung der eigenen Person und einer ideologischen Position; es geht um den würdigen und verantwortungsvollen Umgang mit Menschen; es geht um den Wert des Menschen und seine Verantwortung in der Welt. Es geht um den Dienst an der Bevölkerung. Das ist seit 1945 auch der gesellschaftliche und politische Grundkonsens unseres Staates Österreich.
Sendereihe
Gestaltung
Playlist
Komponist/Komponistin: Dollar Brand
Album: MEMORIES
Titel: Gafsha - life is for the living, death is for us all/instr.
Solist/Solistin: Dollar Brand /Piano
Länge: 05:03 min
Label: West Wind 2029
