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Punkt eins
Klimagipfel COP30: Was auf dem Spiel steht
Ist die 30. UN-Klimakonferenz mehr als eine globale Bestandaufnahme? Gast: Prof. Dr. Keywan Riahi, Programmdirektor für Energie, Klima und Umwelt am Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg. Moderation: Barbara Zeithammer. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at
12. November 2025, 13:00
UN-Klimachef Simon Stiell appelliert, dringend zu Handeln. Die Pazifikstaaten fordern den Ausstieg aus fossilen Energien, und zwar sofort. Brasiliens Präsident Lula da Silva, der Gipfelgastgeber, mahnt, jetzt "die Warnungen der Wissenschaft ernst zu nehmen" und sagt: "Die COP30 wird die Konferenz der Wahrheit sein". Was darf man sich erhoffen, wenn es nicht einmal ein gemeinsames Ziel für die Konferenz gibt? Wenn vier der fünf größten Klimasünder nicht teilnehmen oder bloß Vertreter schicken? Wenn das 1,5 Grad Ziel des Pariser Abkommens von 2015 de facto gescheitert ist? Und das Interesse an Klimapolitik zu sinken scheint?
Es hätte ein weltweiter Festakt werden können - das 10-jährige Jubiläum des bahnbrechenden Pariser Abkommens, der ersten weltweiten Vereinbarung zum Klimaschutz, mit dem sich die Staaten auch ein konkretes Ziel gesetzt hatten: Die Erderwärmung soll auf deutlich unter 2 Grad begrenzt werden, am besten auf nicht mehr als 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Niveau, damit wir auf einer Erde leben können, wie bisher.
Doch die Ausgangslage für die 30. Weltklimakonferenz, die am Montag im brasilianischen Belém begonnen hat, ist denkbar schwierig, die Wahrheit über den Zustand des Weltklimas düster. Alle Jahre von 2015 bis 2025 zählten zu den heißesten, die seit Beginn der Messungen erfasst wurden, meldete die Weltwetterorganisation im Vorfeld der COP30 und keines war so heiß, wie 2024: 2024 wurde das 1,5 Grad Ziel weltweit erstmals überschritten. "Die harte Wahrheit ist, dass wir es nicht geschafft haben, unter 1,5 Grad zu bleiben," sagte UN-Chef Antonio Guterres bei einem Gipfeltreffen am Donnerstag. 2024 stiegen auch die CO2-Emissionen weltweit erneut an, und zwar auf einen neuen Höchstwert. Prognosen sehen 2025 als das Jahr mit einer nie gemessenen Konzentration an Treibhausgasen in der Erdatmosphäre und ein Überschießen der 1,5 Grad Grenze langfristig bereits ab 2028.
Das Zeitfenster, entscheidende Weichenstellungen für ein lebenswertes Leben vorzunehmen, schließt sich. Fatalismus sei allerdings nicht angebracht, sagte der französische Präsident Emanuel Macron, Tatkraft sei gefragt und er warnte vor Desinformation. Jedes Zehntelgrad zählt und macht einen Unterschied für Millionen Menschen und Ökosysteme, für die Welt, in der wir leben und bis 2100 die Erderwärmung nach einem "Überschießen" wieder auf 1,5 Grad zu begrenzen, sei laut Weltwetterorganisation "immer noch absolut möglich und zentral".
Österreich ist indes von der Klimakrise besonders betroffen; es hat sich fast doppelt so stark erwärmt, wie der globale Durchschnitt mit einem Temperaturzuwachs von durchschnittlich 3,1 Grad Celsius im Vergleich zum Jahr 1900, wie aus dem "Zweiten österreichischen Sachstandsbericht zum Klimawandel" (AAR2) vom Juni 2025 hervorgeht. Die darin zusammengefasste Tragweite der Klimakrise zeigt auch die klimapolitischen Handlungsoptionen auf und appelliert: Frühes Handeln spart Geld.
Der Klimawandel ist hochkomplex, betrifft Menschen individuell ganz unterschiedlich und zugleich das gesamte Wirtschafts- und Gesellschaftssystem, doch in geopolitisch wie wirtschaftlich unsicheren Zeiten werden klimapolitische Maßnahmen immer öfter aufgeweicht, wie jüngst die EU-Ziele, oft mit dem Argument, man könne sich Klimaschutz gerade nicht leisten.
Die Wissenschaft hat darauf eine klare Antwort: Alle Zahlen zeigen, dass die Kosten des Nichtstuns viel höher sein werden als die Kosten für notwendige Vermeidungsmaßnahmen, wie Prof. Dr. Keywan Riahi vom Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg betont. Keywan Riahi, seit 1997 am IIASA und seit 2008 dort Programmdirektor für Energie, Klima und Umwelt am IIASA, zählt zu den meistzitierten Forschern weltweit, berät die UNO, hat an mehreren Berichten des Weltklimarats (IPCC) mitgearbeitet und an zahlreichen Weltklimakonferenzen teilgenommen.
Direkt von der COP30 aus Belém berichtet Keywan Riahi als Gast in Punkt eins bei Barbara Zeithammer vom Stand der Dinge, den Herausforderungen, Möglichkeiten und Hoffnungen und der Bedeutung dieser Konferenz, die wohl zumindest als Prüfstein der internationalen Klimapolitik gelten muss. Bleibt er optimistisch? Was steht auf dem Spiel? Geht es noch um den Erhalt einer Welt, in der wir so wie jetzt leben können oder zählen vorwiegend Wirtschaftsinteressen im Kampf von Elektrostaaten gegen Ölstaaten? War der CO2-Preis von 2021 ein Gamechanger; ist die Ausweitung des Emissionshandels durch die EU zielführend und wird ein neuer Tropenwald-Fonds den Regenwald retten und damit "die beste Maschine, die erfunden wurde, um CO2 aus der Atmosphäre herauszufiltern - den Baum" (IIASA-Direktor Hans Joachim Schellnhuber)?
Wie immer sind Sie eingeladen, sich an der Sendung zu beteiligen und mit Keywan Riahi ins Gespräch zu kommen, Ihre Fragen zu stellen: Sie erreichen uns kostenfrei aus ganz Österreich unter 0800 22 69 79 oder Sie schreiben uns ein Mail an punkteins(at)orf.at
Sendereihe
Gestaltung
- Barbara Zeithammer
