Franzobel über Jean Pauls Liebesleben

14. November 2025, 06:57

Meine Freundin sagt, sie muss das Eisfach im Kühlschrank abtauen und ich darf Ihnen einen fast vergessenen früheren Lieblingsdichter der Deutschen auftauen - Jean Paul.

Privat gab dieser Friedrich Richter alias Jean Paul öfter Eheversprechen als manch Heiratsschwindler, mehrfach ließ er sich ver- und wieder entloben, bis er schließlich doch im ehelichen Trott einer bürgerlichen Existenz landete, von der er sich die Sicherheit ungestörten Arbeitens und die Reinschrift seiner Manuskripte versprach.

Kinder, Haustiere und Dienstboten mögen da nur als Störung empfunden worden sein, aber auch sie wurden gnadenlos literarisiert. Er wies seine Frau an, im Falle eines Brandes zuerst seine Exzerpte zu retten, und erst danach die Kinder. Luxus interessiere ihn nur, um in seinen Texten Eingang zu finden. Er selbst begnügte sich mit Kartoffeln und trank Unmengen Bier, um den Schreibmotor anzuwerfen. Die Rede ist von Jean Paul, dem absonderlichsten deutschen Klassiker, der heute vor 200 Jahren gestorben ist. Jean Paul, der den Humor in die moralinsaure deutsche Literatur gebracht hat.

Ob es Zufall ist, dass Jean Paul seine letzten Lebensjahre ausgerechnet in Bayreuth verbrachte, wo wenige Jahrzehnte später ein anderer Monolith des deutschen Kulturlebens wirken sollte? Sie wissen schon, der Hei-Hi-Ho, Weihei. Mittlerweile haben sich die Wagner-Aufführungen zu geriatrischen Ärztekongressen ausgewachsen, bei denen wohl kaum jemand an Jean Paul denkt. Wagner ist weltberühmt, Jean Paul ein bald zu Unrecht Vergessener. Der Schriftsteller selbst liebte Bayreuth am meisten, als er noch nicht dort wohnte. Wie er überhaupt immer von dem schwärmte, was er gerade nicht hatte.

Jean Paul hat das Verspielte in die Literatur gebracht, was der seriösen deutschen Klassik so gar nicht recht gepasst hat. Dabei wird das Leben durch einen lustvollen Umgang mit der Sprache doch um so vieles reicher. Wenn zum Beispiel meine Liebste beim Abtauen des Eisfaches plötzlich singt: Uptown girl, she's been living in her uptown world … dann ist der Tag eigentlich schon gerettet.

Service

Franzobel, "Hoppelpoppel oder Jean Pauls Zauberland. Eine Schauspielrevue", Edition Melos

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• Alexandra Mantler