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Punkt eins
Kopftuchverbot an Schulen
Schutz vor Zwang oder Eingriff in die Religionsfreiheit? Gäste: Univ.-Prof. Dr. Stefan Schima, Religionsrechtler an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien & Maynat Kurbanova, Journalistin und Autorin. Moderation: Marina Wetzlmaier. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at
21. November 2025, 13:00
Symbolpolitik oder staatliche Pflicht, die Selbstbestimmung und Freiheit Minderjähriger zu stärken? Zeichen der Gleichberechtigung oder Diskriminierung? Am Dienstag beschloss der Ministerrat eine Gesetzesvorlage zum Kopftuchverbot an Schulen, das für Mädchen bis zum vollendeten 14. Lebensjahr gelten soll. Im Dezember wird im Nationalrat darüber abgestimmt. Die Umsetzung soll in zwei Stufen erfolgen: zunächst mit einer "Aufklärungsphase" ab den Semesterferien 2026 und mit Sanktionsbestimmungen, die ab dem Schuljahr 2026/2027 in Kraft treten sollen.
Über 600 Stellungnahmen waren in der Begutachtungsphase des "Bundesgesetzes zur Stärkung der Selbstbestimmung von unmündigen Mädchen an Schulen mittels Einführung eines Kopftuchverbots" eingegangen. Während das grundsätzliche Ziel, Mädchen zu stärken, befürwortet wird, besteht Uneinigkeit darüber, welcher Weg dorthin führen soll. Nicht durch Verbote, die sich direkt an die Betroffenen richtet, so die Gleichbehandlungsanwaltschaft. Zudem äußert sie, ebenso wie der Österreichische Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK), verfassungsrechtliche Bedenken. Auch Stefan Schima, Universitätsprofessor am Institut für Rechtsphilosophie der Universität Wien, sieht ein "Spannungsverhältnis" des Gesetzesvorhabens zu grundrechtlichen Vorgaben und verweist vor allem auf die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK). Bereits im Jahr 2020 hob der Verfassungsgerichtshof ein damaliges "Kopftuchverbot" auf. Die Richter:innen bewerteten die Regelung als "unsachlich" und Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz in Verbindung mit dem Recht auf Religionsfreiheit.
Bildungsminister Christoph Wiederkehr (NEOS) und Integrationsministerin Claudia Plakolm (ÖVP) zeigen sich überzeugt, dass das Gesetz dieses Mal vor dem VfGH halten würde. Laut Plakolm soll in Österreich "jedes Mädchen frei, sichtbar und selbstbestimmt aufwachsen können. Ohne Zwang, ohne Angst und vor allem ohne vorgeschriebene Rolle". Zwang mit Zwang zu bekämpfen, sei eine plumpe Diskriminierung, entgegnet Amnesty International. Verbote würden bestehende Vorurteile und Stereotype befeuern. Prävention statt Sanktionen lautet ein Vorschlag aus den Stellungnahmen: mehr Aufklärungsarbeit über Kinderrechte, Bubenarbeit und gezielte Förderung von Mädchen in Schulen. Ein Problem sei laut Arbeiterkammer die Umsetzung eines Kopftuchverbots in der Praxis. Lehrpersonen und Schulleitungen würden zusätzliche Aufgaben bekommen, für die sie nicht geschult seien. Bereits jetzt mangle es an Personal, an Schulpsycholog:innen und Sozialarbeiter:innen.
In der Debatte stellt sich auch die Frage der Freiheit und Freiwilligkeit. Welche Rolle spielt familiärer oder sozialer Druck? Wann ist ein Eingriff in die Religionsfreiheit zulässig? Kann ein Verbot Schulen dabei unterstützen gleiche Bedingungen für alle zu schaffen? Oder profitieren schlussendlich extremistische Kräfte von einer Polarisierung?
Darüber diskutiert Marina Wetzlmaier mit dem Religionsrechtler Stefan Schima und der Autorin Maynat Kurbanova. In Workshops und Projekten beschäftigt sich Kurbanova u.a. mit Demokratie, Extremismusprävention, Diversität und Identität.
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