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Punkt eins
Was ist uns Theater wert?
Wie es um Vielfalt und Finanzierung in der heimischen Theaterlandschaft steht. Gäste: Ulrike Kuner, Geschäftsführerin der IG Freie Theaterarbeit & Sara Ostertag, Regisseurin und künstlerische Geschäftsführerin des "Teata in der Gumpendorfer". Moderation: Marlene Nowotny. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at
24. November 2025, 13:00
Am 23. November wurde der Theaterpreis "Nestroy" verliehen. Die Volkstheater-Produktion von Arthur Schnitzlers "Fräulein Else" in der Regie von Leonie Böhm wurde im Wiener Volkstheater im Rahmen der 26. Nestroy-Gala für die "Beste Regie" ausgezeichnet, Solo-Darstellerin Julia Riedler von der Nestroy-Jury zur "Besten Schauspielerin" gekürt. In der Kategorie "Bester Schauspieler" setzte sich Nils Arztmann in "Das Vermächtnis" von Matthew López am Theater in der Josefstadt durch.
Ob die Nominierungen und Preise tatsächlich die heimische Theaterlandschaft abbilden, wird jedes Jahr nach der Verleihung diskutiert: Ist die freie Szene sichtbar genug? Zeigen Off-Theater die innovativeren Produktionen? Sind die Kulturförderungen im Theaterbereich fair verteilt?
Die Verteilungsfrage ist derzeit besonders aktuell: Im Kulturbereich soll es in den nächsten Jahren große Einsparungen bei den öffentlichen Förderungen geben. Bis 2028 sind Kürzungen von rund 150 Millionen Euro geplant. Gleichzeitig hat sich die Regierung das Ziel gesetzt, Kulturschaffende sozial besser abzusichern, faire Bezahlung sicherzustellen und die kulturelle Teilhabe der Bevölkerung zu verbessern. Ein Widerspruch, der Österreichs Kulturschaffende zunehmend unter Druck bringt. Gerade in der freien Theaterszene werden die Sorgen lauter, die Angebotsvielfalt unter diesen Umständen aufrechterhalten zu können.
Spätestens mit den 1980er Jahren hat sich in Österreich eine große freie Theaterszene entwickelt: Kleine Häuser, kaum fixe Ensembles, projektbasierte Arbeit sind Kennzeichen dieses Theaters. Ganz allgemein schreibt man dem freien, konzeptbasierten Theater mehr Innovationspotential zu als den Inszenierungen an großen Häusern. Dieses Theater kann schneller auf gesellschaftlich aktuelle Themen reagieren, weil Spielpläne nicht auf Jahre hinweg angelegt werden. Und diese oft alternative Theaterpraxis steht im Regelfall auch für inklusivere, diversere Teams und eine deutlichere politische Haltung als etablierte Institutionen.
Doch die Flexibilität hat auch eine Schattenseite: Unsichere Finanzierungen, wenig Absicherung für die Beschäftigten, wenig Sichtbarkeit und Anerkennung. Fixe Ensembles an kleinen Häusern zu finanzieren, wird wegen Teuerung, Inflation und schrumpfenden Budgets immer schwieriger. Auch Sara Ostertag, die neue künstlerische Geschäftsführerin des "Teata in der Gumpendorfer" erklärte vor Amtsantritt, dass solche Strukturen nicht aufrechtzuerhalten seien, wenn man die Beschäftigten fair entlohnen wolle. Den Ensemblegedanken könne man in so einem Haus nur aufgreifen, wenn sich die finanzielle Situation deutlich verbessere.
Die berufliche Situation vieler Schauspielerinnen und Schauspieler ist folglich prekär und könnte 2026 noch prekärer werden. Kürzungen bei Kulturbudgets und -förderungen führen immer dazu, dass es weniger Fixanstellungen gibt bzw. projektbezogene Entlohnungen geringer ausfallen. Nun wird es ab 1. Jänner 2026 (mit wenigen Ausnahmen) nicht mehr erlaubt sein, geringfügige Zuverdienste zu AMS-Bezügen wie Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe zu haben.
Für Ulrike Kuner, Geschäftsführerin der IG Freie Theaterarbeit und Vorstandsmitglied im Kulturrat, führt diese Neuregelung des Arbeitslosengesetzes an der Arbeitsrealität von Kulturschaffenden im Theaterbereich vorbei. Kürze und längere Beschäftigungen, oft projektbezogen, dazwischen Pausen bzw. kleinere Engagements, wie einzelne Drehtage, Lesungen oder andere Auftritte. Bei Schauspielern, die auf AMS-Gelder angewiesen sind, würde diese Neuregelung nicht dazu führen, mehr Vollbeschäftigung zu erzeugen, kritisiert der österreichische Kulturrat. Kleinere Jobs müssten abgesagt werden, wenn andere Sozialleistungen wegfallen. Das kann sich negativ auf die Sichtbarkeit im Kulturbetrieb und Folgebeschäftigungen auswirken und verstärkt die Armutsgefährdung in der Branche.
Mit welchen Herausforderungen sind die freie Theaterszene und die Kulturschaffenden in diesem Bereich gegenwärtig konfrontiert? Wie steht es um die Sichtbarkeit des Off-Theaters, wie um die Innovationskraft dieser Produktionen? Und wie arbeiten kleine Bühnen wie das "Teata" daran, niederschwelligen Zugang zu Kultur zu ermöglichen und neue Zielgruppen zu erreichen? Über diese Fragen spricht Marlene Nowotny mit Ulrike Kuner und Sara Ostertag.
Wie sehen Sie die österreichische Theaterlandschaft, wie die Situation der Kulturschaffenden? Rufen Sie in der Sendung an unter 0800 22 69 79 oder schreiben Sie ein E-Mail an punkteins(at)orf.at
