Cancelt die Apokalypse!

29. November 2025, 06:57

Die besten Witze über Behinderte machen Menschen mit Behinderung. Wackere Kabarettist:innen kämpfen aber auch dann um ihr Recht, Witze über Behinderte machen zu dürfen, wenn sie selbst keine Ahnung vom Leben mit Behinderung haben. Dieser Kampf stützt sich auf mehrere Missverständnisse. Das Größte ist wahrscheinlich, dass es sich dabei um einen Kampf handelt. Nichts ist leichter, als Menschen genau das zu erzählen, was sie hören wollen. Und ein Publikum für Gemeinheiten über Abwesende ist schneller gefunden als eines, das über sich selbst lachen will.

Witze über andere machen deine Kabarett-Karriere nicht schwerer, sondern leichter. Das war nie anders, auch in den letzten Jahren nicht. Überkorrekte Debatten mögen hin und wieder mühselig sein, aber im Kabarett war zu jedem Zeitpunkt ausreichend Raum für Witze über alle, die gerade nicht da sind, zwischen Politsatire und Herrenwitz. Sowas kann sehr lustig sein. Mir persönlich wäre es als künstlerisches Vorhaben zu fad. Und Freiheitskampf ist es definitiv keiner, auch wenn sich gerade das feigste und langweiligste Kabarett gelegentlich als Kampf für die Meinungsfreiheit ausgibt. Herabwürdigungen von Schwächeren seien keine primitive Gewalt, sondern selbstloser Einsatz für eine gute Sache. Diese Behauptung ist klassische schwarze Pädagogik. Der Vati haut dich jetzt und es tut ihm selber am meisten weh, aber es muss eben sein.

Warum machen diesen intellektuellen Rückfall ins 19. Jahrhundert so viele Kabarettist:innen mit? Der Grund ist ganz einfach. Weil es geht. Und zwar sehr leicht. Witze über Schwächere macht man aus Bequemlichkeit. Nicht jeder kann so fleißig und ehrgeizig sein wie Mark Twain.

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• Alexandra Mantler