Punkt eins

Wo ist die stille Nacht hin?

Was Geräusche mit uns machen. Gast: Peter Androsch, Komponist, Klangforscher, Publizist, Leiter Co.Lab Akustische Ökologie, Kunstuniversität Linz. Moderation: Alexander Musik. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at

Weihnachten - damit geht üblicherweise der Wunsch nach Besinnlichkeit, Innerlichkeit und Friedlichkeit einher. Wie aber lässt sich dieser Wunsch ohne die nötigen akustischen Voraussetzungen umsetzen? Ist es Zufall, dass im berühmten Lied von der Stillen Nacht die Rede ist?

Geräuschkulissen nimmt jeder und jede individuell anders wahr. Absolute Stille - etwa in schalltoten Räumen - führt hingegen zuverlässig zu Desorientierung, sie ist für den Menschen auf Dauer Folter. Andererseits ist Stille ein immer kostbareres Gut in einer von Lärm durchzogenen Welt, in der Oasen der Stille erst einmal gefunden werden müssen. Der Weg dahin dürfte mit Verkehrslärm gepflastert sein. Außer während der Lockdowns zu Corona-Zeiten, da war die Stille plötzlich omnipräsent: Waren das lähmende oder heilsame Phasen für die menschliche Seele?

"40% der österreichischen Bevölkerung fühlen sich durch Lärm belästigt", heißt es auf der Homepage der Medizinischen Universität Innsbruck. "Die größte Lärmquelle stellt hier der Straßenverkehr dar." Andererseits scheinen Geräte- und Maschineneinsatz mitunter geradezu identitätsstiftend zu sein: Ich mache Lärm, also bin ich! Denn die Stille bringt den Menschen auf andere Gedanken, vielleicht auf ungewohnte, unerwünschte: ans Ende, an den Tod. Stille kann das Gefühl von Einsamkeit verstärken, das Getriebe der Stadt bietet da tröstliche Abhilfe: Dem Sound der Hunderttausenden liefert man sich gerne aus - um nicht der Stille ausgeliefert zu sein.

Es geht dabei nicht nur um Dezibel, es geht um die Qualität der Geräusche, um Maßnahmen zu ihrer Eindämmung und Steuerung, letztlich um gesellschaftliche Macht. Dabei gilt: EntscheidungsträgerInnen wohnen ruhig.

Der Linzer Klangforscher, Publizist und Komponist Peter Androsch beschäftigt sich seit Langem mit Psychoakustik, inklusiver Akustik und auch damit, wie Städte "klingen" und vor 100 Jahren geklungen haben.

"Schall ist die neue Waffe der Macht", hieß es 2009 in seinem Akustischem Manifest, genau 100 Jahre nach Marinettis berühmtem Futuristischen Manifest veröffentlicht (als Musikalischer Leiter von Linz 2009 - Kulturhauptstadt Europas). Mit demselben revolutionären Furor wie die Futuristen anno 1909 nahm Androsch damals die akustische Umwelt unter die Lupe: "Schall ist zu Strahlung geworden. Das Volk wird mit Schall bestrahlt und apathisch und blöd gemacht - an jedem Ort, zu jeder Zeit und unter allen Umständen. Längst werden Produkte akustisch manipuliert und Werbung akustisch inszeniert. In Supermärkten, Geschäften, Einkaufszentren, Restaurants, Warteräumen, Telefonwarteschleifen, ja Wohnungen, Stiegenhäusern, sogar Toiletten sind täglich Millionen Menschen Opfer toxischer Schallstrahlung, die durch ihre Körper kriecht. Verkehrsschneisen schleudern als Strahlungskanonen ihren krankmachenden Lärm auf Junge und Alte, sie schleudern ihn auf Frauen und Männer, ja selbst auf Babys und Greise! (…) Das ist die Schönheit der Schnelligkeit! Das ist der Krieg, den Marinetti pries!"

"Ohne Hören sind wir nichts", so Androsch. "Was wir sind, sind wir durch das Ohr: Personen. So wie das lateinische Wort es sagt: Durch-Klingende."

Alexander Musik spricht mit dem Komponisten und Schall- und Klangforscher Peter Androsch über die akustische Qualität unserer Umwelt und wie sie sich in den vergangenen Jahrzehnten verändert hat.

Wie immer sind Sie eingeladen, sich an der Sendung zu beteiligen. Kostenlos aus ganz Österreich können Sie uns unter 0800 22 69 79 erreichen; oder Sie schreiben uns ein Mail an punkteins(at)orf.at

Gibt es "guten" und "schlechten" Lärm? Ist Stille für Sie wohltuend oder macht sie Ihnen Angst? Achten Sie bewusst auf die akustische Qualität Ihrer Umwelt? Was stört Sie daran am meisten - und was tun sie, um sich vor diesen Störungen zu schützen?

Sendereihe

Gestaltung

  • Alexander Musik