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Gedanken für den Tag
Weihnachten als Da-Sein
Gedanken zum Weihnachtsfest von Johannes Freitag, katholischer Weihbischof in der Steiermark
24. Dezember 2025, 06:57
Manchmal gibt es im Jahr Tage, die wirken wie ein Atemholen der Zeit. Der heutige Heilige Abend ist für mich so ein Tag. Als würde etwas Unsichtbares sagen: "Schau heute ein wenig tiefer. Hör genauer hin." Und viele Menschen tun das, vielleicht ohne es bewusst zu wollen. Dieser Tag rührt an etwas, das älter ist als all unsere Gewohnheiten: an die Sehnsucht, dass das Licht stärker ist als das Dunkel.
Für manche Menschen ist dieser heutige Tag erfüllt von schönen Erinnerungen: an die eigene Kindheit, an Geborgenheit, an vertraute Stimmen. Andere erleben ihn mit gemischten Gefühlen: Es kann schmerzen, wenn jemand fehlt. Es kann schwer sein, wenn Erwartungen größer sind als die Kraft, die man hat. Und doch kommt die Botschaft dieses Tages nicht, um mich zu überfordern, sondern um mich zu besuchen - so wie ich bin. So, wie wir sind.
Denn Weihnachten erzählt von einem Gott, der nicht von oben herab spricht, sondern sich mitten in das Leben der Menschen begibt. In einen Stall, arm und unscheinbar. Vielleicht berührt mich das so tief, weil es sagt: Auch mein eigenes kleines, unfertiges, manchmal müdes Leben ist ein Ort, an dem Frieden ankommen kann. Vielleicht gelingt es mir heute, für ein paar Herzschläge still zu werden: bei einer Kerze, bei einem vertrauten Lied, einem Blick, der gut tut. In solchen Momenten spüre ich, dass etwas in mir weich wird und dass ich nicht alles allein tragen muss.
Weihnachten, dieser Tag, der keinesgleichen kennt, erinnert mich daran: Licht beginnt immer im Kleinen. Hoffnung wächst leise. Das Entscheidende geschieht nicht im Lärm, sondern in Beziehung - zu Gott und zum Nächsten. Ich wünsche Ihnen: Möge der heutige Heilige Abend Ihr Herz wärmen. Möge der Friede des Kindes von Betlehem Sie berühren.
