PICTUREDESK.COM/EVERETT COLLECTION
Opus - das Musikkolloquium
Rachmaninoff - Meister der Melancholie?
Zwischen melancholischer Meisterschaft und missverstandener Sentimentalität - das Leben und die Musik des Sergej Rachmaninoff (Wiederholung einer Sendung vom 10. April 2023)
26. Dezember 2025, 15:05
Zum einen genießt sie eine große Popularität, zum anderen wird sie oft in die Trivialität verbannt: Überschwängliche Sentimentalität, vermeintlich intellektuelle Anspruchslosigkeit, leidenschaftlicher Kitsch - all das haftet der Musik Sergej Rachmaninoffs an. Bereits zu seinen Lebzeiten (1873-1943) galt einigen Kritikern Rachmaninoffs Musik schon gar nicht mehr als Kunst: Richard Strauss nannte sie "gefühlvolle Jauche", Igor Strawinsky hielt sie für zu sentimental und veraltet, Alexander Skrjabin denunzierte sie als "Musik für Selbstmörder".
Es mag die Melancholie des Komponisten sein, die ihren Weg auch in sein musikalisches Werk gefunden hat, doch war Rachmaninoff ebenso ein Verfechter klarer Formen und Strukturen, was sich u.a. in seinen eigenen Klavierinterpretationen widerspiegelt, die jeglicher Sentimentalität entbehren. Gleichzeitig galt Rachmaninoff als schweigsamer Perfektionist - ein disziplinierter, hart arbeitender Musiker, der sich fremden Menschen verschloss und Rundfunkübertragungen auf hartnäckige Weise verweigerte.
Sergej Rachmaninoff war Pianist, Komponist, Dirigent und vor allem: Exilant. Erst floh er vor den Bolschewiken, dann vor den Nationalsozialisten, verließ 1917 seine russische Heimat und musste kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs sein Schweizer Idyll am Vierwaldstädtersee aufgeben. Seine Wege führten ihn letztlich nach Amerika, wo er eine erstaunliche Karriere als Konzertpianist verfolgte, die ihn jedoch an den Rand der Erschöpfung trieb.
"Als Mensch werde ich meinem Charakter nach niemals glücklich sein", schrieb der stark melancholische Rachmaninoff bereits als 20-Jähriger. Sein Zweites Klavierkonzert, sein cis-Moll-Prélude - es sind jene nostalgischen wie halsbrecherisch-virtuosen Werke, die er selbst als Interpret stets auf die Bühne bringen musste, und mit denen er weithin assoziiert wird. Und doch war es etwas (vermeintlich) ganz anderes, das Rachmaninoff für sein eigenes Begräbnis auswählte, und das die Seele des Grüblers nicht weniger widerspiegelt: den 5. Hymnus aus seiner 1917 komponierten Vesper für gemischten Chor.
