Apropos Klassik
Der romantische Neoklassizist
Ein Meister des Tiefsinns und des gelassenen Humors: Ermanno Wolf-Ferrari
10. Jänner 2026, 15:05
Wie der ältere Ferruccio Busoni wechselte Ermanno Wolf-Ferrari (1876 - 1948) zwischen italienischer und deutscher Sprache, war hier wie dort zu Hause, empfand sich auch in seiner künstlerischen Identität sowohl nördlich als auch südlich der Alpen zugehörig. Wolf-Ferraris Bühnenwerke lassen großteils das Venedig Goldonis und die stilisierte Welt der commedia dell'arte fürs frühe 20.Jahrhundert neu erstehen, mit einer Musik, die in ihrer gewollten Einfachheit an Cimarosa und Paisiello Maß nimmt. Der Instrumentalkomponist Ermanno Wolf-Ferrari hingegen kommt aus Joseph Rheinbergers "Münchner Schule", setzt mit "Straussischer" Pranke frühe Kammermusik aufs Papier, um dann in der abendfüllenden Dante-Kantate "La vita nuova" "seinen" Ton zu finden: kraftvoll, doch ohne "Flitter" im Tonsatz, in völlig unversehrter Tonalität, mit dem Mut zur gläubigen Emphase. Verdi und Brahms, dazu die alten italienischen Meister sind die Säulenheiligen dieses Ermanno Wolf-Ferrari. War solche Musik je "modern"? Je älter der Komponist wurde, desto mehr war ihm die Gegenwart ein Horror: dass sich Italien und Deutschland in Diktaturen verwandelten, dass wieder Krieg in der Luft lag, zog Wolf-Ferrari den Boden unter den Füßen weg. Nun igelte er sich in seinen äußerlich so humorvoll, gelassen, ja lieblich wirkenden instrumentalen Spätwerken ganz in einer herbeifantasierten idealen Vorvergangenheit ein, mit einem an Seelentiefe beeindruckenden Violinkonzert als einsamem Schaffens-Höhepunkt.
Sendereihe
Gestaltung
- Chris Tina Tengel
