Giacomo Casanova, Kupferstich (Ausschnitt)

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Diagonal Greatest Hits

Der Augenblicksvielfraß. Diagonal zur Person: Casanova

Greatest Hits Folge 3: Giacomo Casanova. Am 2. April 1725 wurde der selbsternannte "Chevalier de Seingalt" in Venedig geboren. Diagonal unterzieht die Figur Casanova - schillernd und unfassbar, wie sie seit 300 Jahren durch die Kulturgeschichte geistert - einem fragmentarischen Reality Check. +++ Anschl.: Diagonals feiner Musiksalon

In den Worten von Stefan Zweig war er: heißer Triebmensch, leere Seifenblase, erotischer Spielmensch, Mannstier, göttlicher Frechling, Frauenvielfraß, Mannshengst, Hans Dampf, Stier, phallischer Triumphator, passionierter Genussmensch, aber auch - schlicht und nicht ohne Herablassung: "unser guter Giacomo".

Dass er die Memoiren des Praktikers und Lebenskünstlers "nicht ohne rabiaten Neid gelesen" hat, gibt Zweig, der Geistesmensch, zu und schreibt sich ob der Anzahl seiner Geliebten in Rage: "So bleibt von den unzähligen Henrietten, Irenen, Babetten, Mariuccias, Ermelinen, Markolinen, Ignazias, Lucias, Esthers, Saras, und Klaras nicht viel anderes zurück als ein fleischfarbenes Gelee warmer, wollüstiger Frauenkörper."

In jüngeren Biografien ist von einem hochvernetzten Zeitgenossen die Rede, der "alle Umbrüche in Europa verfolgt und kommentiert, von der russischen Annexion der Krim bis zur endgültigen Aufteilung Polens, vom Sturm auf die Bastille bis zum Untergang der Republik Venedig. Der so gebildete wie informierte Intellektuelle liest regelmäßig Zeitung und ist über zahlreiche Korrespondenten mit ganz Europa verbunden."

Vor 300 Jahren wurde der selbsternannte "Chevalier de Seingalt" in Venedig geboren. Mit 31 Jahren floh er aus den vermeintlich ausbruchssicheren Bleikammern des Dogenpalasts. Im Alter - mit der Veröffentlichung seiner erotisch wie politisch eindrücklich geschilderten Memoiren - wurde er berühmt und zum geflügelten Wort (alias Verführer, Schürzenjäger). Bis heute sorgt der barocke Frauenheld, Glücksspieler und Gelehrte für Stoff und Projektion. Mehr als 3600 Publikationen kursieren über ihn.

Mit Beiträgen von Ines Mitterer, Anna Lindner, Kaspar Arens, Michael Neuhauser und Erich Klein.

Erstausstrahlung: 29.03.2025

Service

"Diagonal gefragt" Podcast

Giacomo Girolamo Casanova, "Aus meinem Leben", aus dem Französischen von Heinz von Sauter, Auswahl und Nachwort von Roger Willemsen, Reclam, 2021

Lothar Müller, "Die Feuerschrift. Giacomo Casanova und das Ende des alten Europa", Wagenbach, 2025

Lothar Müller, "Casanovas Venedig. Ein Reiselesebuch ", Wagenbach, 2025

Alessandro Marzo Magno, "Casanova" (Ital.), Laterza, 2025

Alessandro Marzo Magno, "Casanova a Trieste e Gorizia" (Ital.), Bilbioteca dell'Immagine, 2021

Sabine Herrmann, "Giacomo Casanova und die Medizin des 18. Jahrhunderts", Steiner, 2012

Simon Blackburn, "Wollust. Die schönste Todsünde", aus dem Englischen von Matthias Wolf, Klaus Wagenbach, 2008

P.A.F. Choderlos de Laclos, "Gefährliche Liebschaften", aus dem Französischen von Wolfgang Tschöke, Hanser, 2002

Marina Zwetajewa, "Phoenix. Versdrama in drei Bildern", Nachdichtung aus dem Russischen von Ilma Rakusa, Suhrkamp, 2016

Raoul Auernheimer, "Casanova in Wien. Kömodie. Drei Akte in Versen", Drei Masken 1924

Hugo von Hofmannsthal, "Der Abenteurer und die Sängerin", in: Dramen 3, hrsg. von Manfred Hoppe, S. Fischer 1992

Hugo von Hofmannsthal, "Cristinas Heimreise", in: Dramen 9, hrsg. von Mathias Mayer

Felix Salten, "Der Meister des Lebens", in: Pester Lloyd. 57. Jg., Nr. 264 (6. 11. 1910)

Arthur Schnitzler, "Casanovas Heimfahrt", in: "Meistererzählungen", S. Fischer 2018

Arthur Schnitzler, "Die Schwestern oder Casanova in Spa", Dramen 1919-1923. S. Fischer 1993

Georg Simmel, "Das Abenteuer", in: Philosophische Kultur. Gesammelte Essais. Mit einem Nachwort von Jürgen Habermas. Berlin 1983

Anton Wildgans, "Casanova", in: Dreißig Gedichte, Reuß & Itta 1917

Institut für Männer- und Geschlechterforschung

Palazzo Mocenigo Venedig

Ca' Rezzonico

Palazzo Grimani

Sendereihe

Gestaltung