Gemeinsam erinnern
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Verarbeitung der Kriegszeit in der Nachkriegszeit
Dr. Ortwin Heim - 1. April 2025, 19:12
Erinnerung über Gespräche und Sichtweisen über die Kriegs- und Nachkriegszeit
"Über den 2. Weltkrieg und die Flucht meiner Familie mütterlicherseits wurde in unserer Familie nicht viel gesprochen. Wir wussten anfangs nur, dass sie 1945 stattgefunden hatte. Einzelheiten erfuhr ich erst später.. Die Nachkriegszeit von 1945 bis zum Anfang der 1950er Jahre kannte ich aus den Erzählungen und Berichten. Sie wurde als relativ unbeschwert dargestellt, vermutlich, weil der Krieg vorbei war und man sich endlich wieder wichtigen und angenehmeren Dingen zuwenden konnte. Gelegentlich wurden einzelne Ereignisse aus der Kriegszeit erzählt, aber keine größeren Zusammenhänge. Wir wussten, dass die Männer in unserer Familie als Soldaten im Krieg gekämpft hatten. Sie kamen alle unversehrt aus der Gefangenschaft zurück. Über dieses Kapitel sprach man ebenfalls wenig, einige Anekdoten sind mir bekannt.
Im Geschichtsunterricht wurde das Thema 3. Reich in der Oberstufe im Leistungskurs ein halbes Jahr lang ausführlich behandelt. Jeder Schüler hielt ein Referat zu einem Thema, ich sprach über die Außenpolitik von 1933 bis 1939. Wir erhielten auf diese Weise Einblicke in größere historische Zusammenhänge. Unser Geschichtslehrer Werner Hilgemann verstand es, durch Anekdoten und Berichte über eigene Erlebnisse, den Unterricht interessant zu gestalten und uns die Zusammenhänge zu erläutern . Er war der Autor des dtv-Atlas zur Geschichte und vieler Kartenwerke."
Reden und Schweigen
Silvia Jelinek - 1. April 2025, 14:30
In sehr unterschiedlicher Weise wurde in meiner Familie über die Ereignisse zu Ende des Krieges und danach geredet, oder geschwiegen
Ich bin 1960 geboren und in Wien im 10. Bezirk am Reumannplatz mit den Eltern und der Großmutter in einer Wohnungaufgewachsen. Der Krieg und seine Folgen in meiner Familie waren mir von klein auf präsent und prägten mich in gewisser Weise. Die drei Menschen mit denen ich zusammenlebte waren sehr unterschiedlich in ihrem Umgang mit "darüber reden" bzw. "darüber schweigen
Meine Großmutter : Wie die meisten alten Menschen wiederholte sie immer die gleichen Geschichten:
Von den Bomben, zweimal war sie mit ihrer Familie ausgebombt worden. Die Amerikaner hatten das Amalienbad mit seinem hohen Schlot für" eine Fabrik gehalten. Das Bad blieb unbeschadet, die Häuser rundum waren zerstört. Auch von den Bauern, die für zwei Schmalzbrote für ihre Kinder eine goldene Uhr verlangten, vom Hunger und von den Würmern in den Erbsen erzählt sie immer wieder mit hoher weinerlicher Stimme. Ich wollte sie nicht hören, diese Geschichten. Ich wappnete mich gegen sie mit überheblichem Desinteresse. Ich beschloß nie so eine jammernde weinerliche Person wie meine Großmutter zu werden.
Aus einer schriftlichen Aufzeichnung meiner Mutter 1933 geb. 1930:
Dann begannen die Bombenangriffe Tag und Nacht und ich habe in meiner hysterischen Angst um mein Leben bei den Angriffen entsetzlich geschrien.
Bei der Ansage im Radio „Anflug auf Kärnten, Steiermark“ schrie bald der Kuckuck und dann waren sie da, die Flugzeuge und haben ihr Zerstörungswerk begonnen. Sie haben nicht nur auf Fabriken geschossen, sondern wahllos alles was ihnen unter die Flügel kam bombadiert. Meine Mutter hat sie nicht wollen, die Amerikaner. Sie haben uns zwar befreit, aber sie haben uns alles zerstört. Meine Mutter hat gesagt, sie könne nie wieder einen Kuckuck hören. Während der Angriffe hat die Erde gegrollt und gerollt, das Licht ist ausgegangen und nicht nur ich alleine habe geschrien. Ich habe meine Bruder gehaßt, der wollte immer, es möge noch lauter krachen.
Mein Vater 1930 geb. war sein Leben lang schweigsam, er hat nichts erzählt vom Krieg, er lebte damals mit seiner Mutter in Mödling . Nur dass er nach Kriegsende arbeiten hat müssen, zusammen mit anderen einen Tunnel graben, hat er mehrmals erwähnt. Und dass er eigentlich schon sehr tüchtig gewesen ist mit seinen 15 Jahren. Dass sein Vater 1942 am Steinhof zu Tode gekommen ist habe ich von meiner Mutter erfahren.
Der Weltuntergang war mir schon als Kind eine vertraute Vorstellung. Eine unbestimmte Angst und uferlose Traurigkeit etablierte sich als ein Teil meines Wesens soweit ich mir selbst erinnerlich bin. Das Leben war hinterlegt mit der Erfahrung der Unabänderlichkeit eines bodenlos tiefen Verlustes und des alles erfassenden Bedauerns darüber.
Mit lieben Grüßen
Silvia Jelinek
Erholungskinder zum Vorzeigen bekamen nur Sterz
Peter Radacsics - 31. März 2025, 14:03
Mit Spendengeldern aus Amerika bin ich nach Graz-Liebenau auf Erholung gekommen. Es gab nur Sterz und auf Befehl mussten wir uns in der Sonne liegend vom Bauch auf den Rücken drehen, damit wir schön braun wurden. Zum Vorzeigen, damit die Spender sahen, dass die Kinder braun gebrannt und nicht mehr unterernährt waren.
Ein GI vergewaltigte meine 14-jährige Mutter
Maria P. - 31. März 2025, 13:17
Nach dem entsetzlichen Erlebnis glaubte ihre Mutter, sie hätte sich "angeboten" und warf sie aus dem Haus.
Mit offenen Holzklapperln im Schnee
Gertrude Al-Taiee, Jg. 1941 - 31. März 2025, 13:04
Während des Kindergartenbesuchs in einer Baracke im Wiener Volksgarten werden Gertrude und anderen Kindern die Schuhe gestohlen. Mitten im Winter bei Schnee muss sie dann offene Holzsandalen tragen, da es lange keine Schuhe gab.
Zuckerstückerl und Holzstückerl
Gerlinde, Jahrgang 1943 - 31. März 2025, 12:13
Zu Weihnachten beweisen die Eltern Einfallsreichtum, um Gerlinde trotz materieller Not eine Freude zu bereiten
Schulbänke verheizt
Gerlinde, Jahrgang 1943 - 31. März 2025, 11:37
Brennstoffmangel im Nachkriegs-Wien: aufgrund der strengen Kälte werden im zerbombten Schulgebäude die Schulbänke zum Heizen zerhackt. Bei der Eisenbahn zweigt man Kohlevorräte ab.
Heimarbeit und Hühnereier
Helga Matis, Jg. 1945 - 31. März 2025, 11:08
Helgas Mutter fertigt die ganze Nacht über Lampenschirme in Heimarbeit an. Auch Eier verkauft sie aus eigener Hühnerhaltung, doch zu essen gab es Hühnerfleisch nie - denn das Huhn war das Zeichen des Wohlstands.
Vater kam krank aus dem Ural und Griechenland heim
Wolfgang Grassl - 31. März 2025, 10:48
Er hat erzählt: "Wir hatten mit drei Sachen zu kämpfen: mit Schnee, mit Wölfen und mit Partisanen."
Mäuse in der Lamperie
Helga Matis, Jg. 1945 - 31. März 2025, 10:46
Zu viert auf engstem Raum im Nachkriegswien: ohne Wasser, ohne Strom, ohne Heizung. Helga schlief im Gitterbett bis 14. Eine Gemeindewohnung war ohne Parteibuch nicht zu haben.