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Material zum Artikel "The Elephant In The Room"

Angelika Beer - 12. Oktober 2025, 21:53

Material zum Artikel "The Elephant In The Room" von A. Beer aus dem Buch "Iglau unterm Hakenkreuz" von Jiri Vybihal

Material zum Artikel "The Elephant In The Room" von A. Beer aus dem Buch "Iglau unterm Hakenkreuz" von Jiri Vybihal

Material zum Artikel "The Elephant In The Room"

Angelika Beer - 12. Oktober 2025, 21:52

Material zum Artikel "The Elephant In The Room" von A. Beer aus dem Buch "Iglau unterm Hakenkreuz" von Jiri Vybihal

Material zum Artikel "The Elephant In The Room" von A. Beer aus dem Buch "Iglau unterm Hakenkreuz" von Jiri Vybihal, Teil 3

Material zum Artikel "The Elephant In The Room"

Angelika Beer - 12. Oktober 2025, 21:50

Material zum Artikel "The Elephant In The Room" von A, Beer aus dem Buch "Iglau unterm Hakenkreuz" von Jiri Vybihal

Material zum Artikel "The Elephant In The Room" von A, Beer aus dem Buch "Iglau unterm Hakenkreuz" von Jiri Vybihal

Schießbefehle Vertreibung aus Iglau 1945, Original

Angelika Beer - 12. Oktober 2025, 21:45

Dokumente zum Artikel "The Elephant In The Room"

Dokumente aus dem Buch: Iglau unterm Hakenkreuz von Jiri Vybihal
Material zum Artikel: The Elephant In The Room von Angelika Beer

The Elephant In The Room

Angelika Beer - 12. Oktober 2025, 21:37

Angelika Beer erzählt über ihre Familiengeschichte aus der Iglauer Sprachinsel ( heute Cz) und das tragische Ende 1945 in einem erweiterten historischen Kontext. (Teil 2)

Das erste Mal von Alois Beer erfahren hatte ich im handschriftlichen Testament seines Onkels, des ehemaligen Ehrenbürgers von Iglau, Johann Beer, das ich im Jahr 2022 mit vielen anderen Originaldokumenten geerbt hatte. Johann Beer hatte in den Jahren 1897 bis 1899 zwei Zinshäuser mit je 5 Wohnungen in Iglau errichtet, die immer noch stehen. Alois war der Verwalter eines der Häuser. Er, seine Schwester sowie drei Cousinen waren Erben dieser Häuser. Eine dieser Cousinen ist Amalie, meine Urgroßmutter. Sie starb 1985 in Wien.
Mali war aus ihrer Iglauer Wohnung als letzte geflüchtet, nachdem die Familie ein paar Tage zuvor noch über die Grenze kommen konnte. Hier gibt es die Geschichte, dass mein Großvater sie mit einem Miet- Kleintransporter in letzter Minute abholen konnte, nachdem ein Anruf oder Telegramm eingegangen war: „Hol uns hier raus, die bringen uns sonst alle um“. Das einzige, was sie von 500 Jahren Iglauer Familiengeschichte mitnehmen konnten, war eine kleine, silberne Standuhr.
(Zur Erklärung: die Parkgasse, heute Tyrsova, in der sich die zwei Zinshäuser der Familie Beer befinden, wurde von den russischen Alliierten zuerst besetzt, also bereits einige Tage, bevor die wilden Vertreibungen losgingen.)

Nachdem ich die Dokumentenmappe aufgearbeitet hatte, fuhr ich das erste Mal nach Iglau. Ich fand das Ehrengrab, das der Hauserbauer Johann Beer im Jahre 1930 als Gruft für die Familie errichten ließ, für das er der Stadt Iglau 60 000 Kronen in seinem Testament hinterlassen hat, damit es „immer ansprechend gepflegt sei“.
Ich fand es grün überwuchert und alle Inschrifttafeln fehlten, ebenso wie die Messingumfassungen. Im Jahr 1945 gab es heftige Panzergefechte zwischen „Deutschen“ und Tschechen und Russen vor dem Iglauer Friedhof, wobei sich Kämpfende auch im Friedhofsgelände verschanzt hatten.
Namen auf alten, deutschen Gräbern lesen sich heute noch wie ein Wiener „Who is who“: Manner, Heller, Löw, Beyer, Lang, Seifert, Maschek, Radnitzky…. Und insgesamt finde ich dort 6 Gräber, die ich meinen Vorfahren zuordnen kann.

Ich erinnere mich noch an das mulmige Gefühl in der Nacht, bevor ich das erste Mal nach Jihlava gefahren war. Fast war es eine Angst. Traumata vererben sich, hat die Wissenschaft bewiesen. Gerade das sollten wir in die Verantwortung miteinbeziehen, die wir haben, wenn wir die vielen gegenwärtigen Krisen und Kriege beurteilen und als Gesellschaft Lösungen suchen wollen.
Eingefrorene Emotionen warten manchmal bis auf die Enkel- oder Urenkelinnengeneration, um durchlebt und anerkannt zu werden. Das ist notwendig, um so wirklich zu einem Loslassen zu kommen, das neue Blickwinkel auf beiden Seiten ermöglicht. So können neue Friedenslösungen und Friedensordnungen entstehen, die bisher undenkbar waren.

Der Elefant hat seinen Rüssel gehoben, heftig aufgestampft und sein enges Zimmer verlassen.


Angelika Beer
20.5.2025

The Elephant In The Room

Angelika Beer - 12. Oktober 2025, 21:32

Angelika Beer erzählt über ihre Familiengeschichte aus der Iglauer Sprachinsel ( heute Cz) und das tragische Ende 1945 in einem erweiterten historischen Kontext (Teil 1)

THE ELEPHANT IN THE ROOM

The Elephant in the Room, das ist wohl etwas, was jede Nachfahrin, jeder Nachfahre von nach Ende des zweites Weltkriegs vertriebenen Deutschsprachigen kennt. Und es sind viele, allein aus dem Gebiet der heutigen Tschechischen Republik sind es rund 3,5 Millionen Menschen, die zuvor jahrhundertelang in der österreichischen Kultur zutiefst verwurzelt waren.
Es soll ihnen heute, zum 80jährigen Gedenken des Kriegsendes, eine Stimme gegeben werden- der Elefant darf tief durchatmen und sein enges Zimmer verlassen.

Jahrhundertelange Verwurzelung an einem Fleckchen Erde, von dem man lange Zeit sehr wenig wegfuhr oder wegfahren konnte, prägt. Oft sehr alte Familiengeschichten wurden in wenigen Wochen ausgelöscht. Personen, Verwandte, Freunde, verschwanden in Lagern und man hatte nie wieder etwas von ihnen gehört. Einige wenige schafften es vor den „wilden Vertreibungen“ zu Fuß über die Grenze, nachdem sie alle ihre Besitzungen verloren hatten. Sie wurden nur durchgelassen, weil sie in der Zwischenkriegszeit bereits einen österreichischen Pass besessen hatten.
Viele andere wurden vom Mob, der unter Federführung der russischen Soldaten und Beteiligung von Tschechen, die aus Innertschechien in zu Phantasiepartisanenuniformen umgestalteten ehemaligen Naziuniformen kamen, im Gewaltrausch und oft unter Alkohol aufgestachelt , erschossen, weil sie sich weigerten, ihre Wohnungen zu verlassen. Andere wollten sich in dieser Situation, wo nach Beneschs Ansprache in Brünn am 13.5.1945 klar war, was mit ihnen geschehen würde, dieses kleine bisschen Würde und Selbstbestimmung behalten und setzten ihrem Leben, oft des Nachts, selber ein Ende.

Dies als ausnahmslos umfassendes „Schuldeingeständnis“ zum Nazi Terrorregime zu fehlinterpretieren, halte ich für eine Verkürzung- man könnte es etwa auch als Liebe zum Heimatort oder tiefe Verwurzelung, sehen.
Für diese Personen begann der eigentliche Krieg erst NACH dem 8.5.1945, in Städten, die weitgehend vom 2. Weltkrieg unzerstört blieben. Auch Ereignisse wie der Brünner und der Iglauer Todesmarsch oder die Grausamkeiten in Prag oder die Massaker in Aussig nur mit den „Wirren der Nachkriegszeit“ abzutun, ist mir zu ungenau. Es birgt zu viel Wegschauen, um eine klare Analyse zu ermöglichen. Dies mag zu einem Großteil auch der kommunistischen jahrzehntelangen Indoktrinierung geschuldet sein. Trotzdem fehlt bis heute eine gemeinsame Erklärung der tschechischen und deutschen Historikerkommission zur tatsächlichen Zahl der Toten und eine Würdigung oder zumindest Sichtbarmachen ihren Begräbnisstätten, allzu oft sind es Massengräber. Diese gibt es in fast jeder tschechischen Stadt oder Region, die zuvor von einer überwiegenden Zahl an Deutschsprachigen bewohnt (und oft Jahrhunderten zuvor auch zu einem Großteil von ihnen errichtet) worden war. Meist sind sie der dort ansässigen Bevölkerung nicht einmal bekannt, und in kleinen Infoblättern der Touristenverbände werden die Friedhöfe, zum Beispiel von Brünn, oft so präsentiert, als ob sich dort vor allem historische tschechische Gräber befinden, was keiner Faktenüberprüfung standhält. Der Hinweis auf überwiegend deutschsprachige Bevölkerung fehlt oft in den tschechischen Museen heutzutage, der Begriff „Iglauer Sprachinsel“ kommt im heutigen Museum Vysocina, also das Iglauer Regionalmuseum, seit der Renovierung nicht mehr vor, die alte zweisprachige Karte der Region wurde abgehängt. Im Olmützer Diözesanmuseum befindet sich ebenfalls kein Hinweis auf die ehemalige deutschsprachige Bevölkerung, die immerhin rund 50% ausmachten, sowie darauf, dass der Olmützer Dom der Krönungsort Kaiser Franz Josefs war.

Ja, die österreichisch- ungarische Monarchie hatte sich über sehr lange Zeit über ein ungleich größeres Gebiet als die heutige zweite Republik erstreckt, und in vielen Regionen hatte sich seit Anbeginn eine eigene Kultur entwickelt, und auch das ist ein Teil unserer heutigen Identität geworden, der zu oft unbekannt ist. Als ein Beispiel nenne ich die in den ersten Jahrzehnten der zweiten Republik beliebten Kabarettisten mit jüdischen Wurzeln Maxi Böhm, Ernst Waldbrunn und Guido Wieland, die allesamt im sogenannten „Sudetenland“ aufwachsen waren oder ihre künstlerisch prägenden Jahre dort verbracht hatten. Mit ihrem Stil, ihrem Esprit und auch ihrer Skurrilität, die sich Freiräume nimmt, die vielleicht nur entstehen konnten, weil die Residenzstadt lange Zeit sehr sehr weit weg war, prägten sie als Rückkehrer oder als ehemalige „Flüchtlinge“ den Aufbau einer „modernen“ Identität im Österreich der Nachkriegsjahre, die so dringend benötigt wurde, um ein einen Neuanfang zu schaffen. Sie sind Teil unserer gemeinschaftlichen DNA geworden.

Aber zurück in die Nacht vom 13. auf den 14.5. 1945 in einer Iglauer Innenstadtwohnung.
Sie greifen zu einem Material, das halten muss, das das Gewicht eines ganzen Menschen, eines ganzen Lebens, aushalten muss. Sollen es die im über Generationen erlernten Handwerk, die selbstgemachten Geigensaiten sein? Oder schneiden sie zu schnell, zu tief in den Hals, sodass doch einem Seil der Vorzug gegeben werden soll?
Das Paar berät sich, weint, hat Angst, draußen wütet es unaufhörlich. Sie trösten sich, umarmen sich, versichern sich ihre Liebe.
Sie beerdigen nicht nur sich selber, auch das alte Handwerk in dieser zutiefst musikalischen Stadt an der Grenze von Böhmen und Mähren- die Stadt, in der Gustav Mahler groß geworden ist, die schon in der Reformationszeit, in der sie ein Verbreitungspunkt geworden war, eine große Musiktradition hatte, in der es eine Meistersingerschule gegeben hatte. Die der charismatische Prediger Paul Speratus, der der einzige evangelische Prediger im 16. Jahrhundert im Wiener Stephansdom gewesen war, im Sturm in der lutherischen Lehre eroberte, bis er verwiesen wurde. Er sollte ein Leben lang „seinen Iglauern“ im Briefwechsel äußerst verbunden bleiben und sie ermutigt haben, wie in Salzburg etwa ein Josef Schaidberger in seinen berühmten Sendbriefen an die österreichischen Geheimprotestanten, einer Überzeugung treu zu bleiben, die damals auf der Höhe der Zeit war. Es war eine Gesinnung, die Eigenverantwortung und Bildung in den Mittelpunkt rückte, und dies wurde in Luthers Schriften den Adeligen, die in den meisten Erblanden zu 90% protestantisch waren, zur Verpflichtung: Jedes, (zumindest männliche ) Kind sollte lesen und schreiben lernen. In Loosdorf, im Einflussbereich der Erbauer der Schallaburg, den Losensteins, gab es eine Schulordnung, die heute höchst modern wirkt: Verbot von Züchtigungen bzw. körperlicher Bestrafung, Ermutigung zum Lernen durch Weckung der Eigeninitiative und Lust am Lernen, eine tägliche Musikstunde, Mehrstufenklassen. Das Narrativ, Maria Theresia hätte die Schulpflicht eingeführt, wird so Lügen gestraft- durch den „Brain Drain“ der Gegenreformation wurden alle diese Schulen geschlossen und der Analphabetismus erreichte auf sehr lange Zeit wieder Höchstwerte. Die Landschaftsschulen, die beinahe Universitätsniveau erreicht hatten ( protestantische Universitäten waren im Habsburgerreich nicht erlaubt), wurden geschlossen. Kepler lehrte nicht mehr in Graz.
Iglau war aber nicht nur die erste Stadt in Mähren gewesen, die sich zum lutherischen Glauben bekannt hatte, sie war vor allem jahrhundertelang die Tuchmachermetropole der Habsburgermonarchie. Es war eine Stadt der Bürger, die so zu Wohlstand kam- Tuch war damals das zweitkostbarste Handelsgut.

Und nun zurück in die Iglauer Innenstadt im Jahr 1945.
Der Mann, der in den frühen Morgenstunden des vierzehnten Mai zitternd zwischen Geigensaiten und Seil schwankt und entscheiden muss, ist Alois Beer, mein Urgroßonkel. Seine Frau ist Marie, geborene Pischkova. Sie wählen das Seil und ihr eigenes Schlafzimmer für diese letzte, schreckliche und abgrundtief finstere Tat.

Aus Erinnerung von ihm zu erzählen, ist unmöglich. Für viele ist auch das nun wieder eine Geschichte mehr, die den Elephant in the Room nährt. Für mich ist es ein Teil meiner Wurzeln.
Ich erinnere mich noch, als ich 2022 das Mail mit seiner Todesanzeige von der Leiterin des Iglauer Archivs erhielt. Es war ein eingescanntes handschriftliches Dokument unter detaillierter Schilderung der Umstände. Es traf mich in Mark und Bein. Ich war gerade in Lübeck auf Urlaub und ging in den Dom, um einen Platz für meinen Schmerz und meinen Schrecken zu finden. Dort war gerade eine Gedenkinstallation für Opfer und Vertriebene des Ukrainekriegs. Es befand sich eine kleine Insel aus Sand im Seitenschiff, umgeben von kleinen, dekorativen Steinen und Kerzen. Ich schrieb Alois und Marie, 13.5.1945, in den Sand und zeichnete einige Wellen und einen Fisch, stelle zwei Kerzen dazu.
Das erleichtert mich nach einiger Zeit.

Die Cousine von Alois Beer war Amalie, meine Urgroßmutter, die Mali- Oma. Sie war eine derjenigen, die zu Fuß über die Grenze flüchteten und durchgelassen wurden, weil sie vor dem zweiten Weltkrieg eine österreichische Staatsbürgerschaft gehabt hatten. Über Iglau konnte sie zeitlebens fast nie sprechen, auch von einem Cousin namens Alois hatte ich nie etwas erfahren.
Ihre Erinnerungen und die so vieler anderer landeten im Futtertrog des Elefanten im Raum.

Berührendes Treffen zweier Familien

Lindorfer Ursula - 21. Juli 2025, 20:31

Unser Onkel Karl Gabriel nahm Flüchtlingsfamilie aus Schlesien (Polen) auf. In seinem Pfarrhof wurde am 15. 4. 1945 das Kind Margarete geboren und getauft.

Frau Martha Staisch kam im Jänner 1945 mit 5 Kindern und schwanger zuerst mit dem Zug und dann von Schärding bis Kopfing zu Fuß (! 21 km) in OÖ an und im Pfarrhof unter. Es gab Schwierigkeiten mit der Unterbringung.
Unser Onkel war dort Pfarrer. Er nahm sie auf.
In seinem Pfarrhof (genauer im Bischofszimmer!) wurde am 15. 4. 1945 das Kind Margarete geboren und getauft.
1946 kehrte die Familie nach Oppeln zurück und seit 1978 lebt sie in Deutschland.
Erst heuer erfuhren wir von der Mitmenschlichkeit unseres Onkels.
Heuer feierte Margarete ihren 80. Geburtstag. Ihr Gatte machte ihr ein Geschenk und suchte nach Spuren des Wohltäters.
Mit Nichten und Neffen traf sich das Geburtstagskind am 7. Juni 2025 an dessen Grab (Pfarre Rannariedl, Pühret 4143 Neustift) in Österreich.

Kriegsende in Osttirol

Peter Steiner, Jg. 1937 - 30. Juni 2025, 18:43

Ich bin zwar in Baden geboren und in Baden aufgewachsen, bin aber 1944 mit meiner Mutter in das Tal ihres Vaters und ihrer Ahnen in Sankt Jakob in Osttirol gefahren, um den "Endsieg" abzuwarten, In der Alpenfestung, wie meine Mutter mir erklärt hat. Ich muss dazu sagen, dass meine Mutter, wie auch mein Vater Partei Mitglieder der NSDAP waren, dass beide überzeugte Nationalsozialisten waren und das in meinem Kindheitsumfeld überhaupt nur Nationalsozialisten in Erscheinung getreten sind. Ich kann mich an nichts anderes erinnern. Jetzt geht es um das Kriegsende 1945 im Mai. Ich kann nicht beschwören, dass es sich tatsächlich um das Kriegsende oder um Hitlers Tod gehandelt hat, der Ende April im Radio verlautbart wurde, dass er heldenmütig im Kampf gefallen sei. Auf jeden Fall bin ich damals mit meiner Mutter von unserem Gehöft am Berghang hinunter auf den Dorfplatz gegangen, wo vor dem einzigen höheren Haus, das dort existiert hat, in Sankt Jakob vor dem Hotel Post ein Fahnenmast war, wo sich Nationalsozialisten, die bei der Stange geblieben sind, also keine Wendehälse waren, wie es damals geheißen hat, versammelt haben. Und die deutsche Reichsflagge wurde auf Halbmast gesetzt und ich als siebeneinhalb jähriger Bub bin dort an Seite meiner Mutter gestanden, im Kreis eines Grüppchen von Nationalsozialisten und habe mit zum Hitlergruß erhobener Hand die deutsche Nationalhymne gesungen.

Flucht aus Graz 1945

Herr Reinitzer - 30. Juni 2025, 09:03

Also im Jahre 1945 im März wurde die Bevölkerung aufgefordert die Gebiete um Graz zu verlassen und möglichst nach Norden zu flüchten, weil die Front schon in der Oststeiermark war. Man hat sie schon schießen gehört. Ich wollte dann mit meiner Familie von einem Bauernhof, der circa zehn Kilometer nördlich von Graz ist, aufbrechen und haben alles vorbereitet, haben zwei Pferdefuhrwagen beladen mit allen notwendigen Dokumenten und was man halt alles bei einer Flucht mitnimmt und haben vorgehabt, am 31. März loszuwandern. Die beiden Wagen sind gezogen worden von Pferden. Und als wir dann starten wollten, haben wir bemerkt, dass ein Pferd gestohlen wurde. Jetzt haben wir einen der Wagen mit zwei Pferden bespannt und einen mit einem Pferd, nur weil das zweite gestohlen war und sind losgefahren, das war der 31. März. Und als wir kurz einige Kilometer gefahren sind, hat mein Onkel gemerkt, da ist ein anderes Fahrzeug gewesen mit diesem gestohlenen Pferd. Er ist hingegangen und hat mit den Leuten gesprochen. Und die hätten, all ihr Habe, das sie auf einen kleinen Wagen gehabt haben, hinten lassen müssen, hätten das Pferd ihm zurückgeben müssen und er hat aus diesem Grund gesagt, er verzichtet auf das Pferd. Sie können das behalten weil sie auf der Flucht waren und hat ihnen das Pferd überlassen. Wir sind dann in der Nacht bis kurz vor Frohnleiten gefahren. Die Straßen waren voll von Flüchtenden. Das heißt, das sind vorwiegend Handkarren, Fahrräder, Pferdefuhrwerk. Ganz wenige Autos, Autos und sind damals mit Holzgas betrieben worden. Weil kein Treibstoff vorhanden war, sind alle umgebaut worden. Und so sind wir in der Früh des 1. April, es war der Ostersonntag, kurz vor Frohnleiten zu stehen gekommen, denn damals kreuzte noch die Bundesstraße die Bahn. Und es war der Bahnschranken zu. Es waren also Tausende von Menschen, die sich vor den Schranken gestaut haben; so sind wir dort gestanden. Plötzlich sind zwei Flugzeuge über den Bergrücken gekommen. Das waren solche Doppelrumpfflugzeuge, solche amerikanischen Jagdflugzeuge, und sind über uns drüber geflogen, haben dann abgedreht und sind plötzlich von Süden im Tiefflug gekommen und haben in diese Menschenmassen hineingeschossen. Es war ein Durcheinander. Es war ganz, ganz schrecklich. Wegen dieses Zuges sind ja die Schranken zu gewesen. Und die Lokomotive dieses Zuges wurde kaputtgeschossen und konnte nicht weiterfahren. Daher war stundenlang der Schranken geschlossen. Und das war wirklich ein Chaos.

29 Heimatvertriebene aufgenommen

Frau Zach, Jg. 1938 - 27. Juni 2025, 16:32

Ich war sechs Jahre alt in 45er Jahr am 6. Juni, da haben wir haben wir auf einer Wiese gearbeitet, und da ist ein Zug von Menschen auf der Straße runtergekommen von der anderen Ortschaft. Da hab ich noch zehn Kilometer von der Grenze in meinem Elternhaus gewohnt. Mein Vater war damals Ortsvorsteher, und wir haben eine neu gebautes Haus gehabt, wo noch niemand drin gewohnt hat. Und da war dann 29 Flüchtlinge aufgenommen. Da war von Holleschitz (Anm.: heute Holešice) der Bürgermeister dabei mit neun Kindern. Und der ist getragen worden auf so Brettern. Den haben die die Tschechen so geschlagen, dass er am ganzen Körper ganz blau war. Und der hat bei uns dann von Juni bis nächsten Juni, wo sie nach Deutschland gekommen sind, nur Pudding, Milch und Semmeln und Biskotten gegessen. Und bei uns hat er noch das Jahr gelebt und in Deutschland draußen ist er gestorben. Meine Mutter hat ihm damals alle Kopfpolster mitgegeben, die sind dann beim Hinauswandern im Juni in einen Viehwaggon hineingekommen, wo nichts drinnen war, nur in der Ecke ist ein Kübel gestanden für die Notdurft. Meine Mutter hat ihm für alle Kopfpolster und Decken mitgegeben und es wurde immer wieder betont, dass sie gut nach Deutschland gekommen sind, weil sie bei uns gut behandelt worden sind. Und wie sie hergekommen sind, hat meine Mutter gerade Brot gebacken. Zwölf Laibe, und die hab ich von unserem Haus zum anderen getragen und dazu eine Milch, und das ist dann meine Erinnerung an 45.