Gemeinsam erinnern
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Russischer Offizier rettete Philharmoniker
Gloria Rosner, Jahrgang 1950 - 29. März 2025, 15:15
Ja, nachdem alle so über die Russen schimpfen und was die für schreckliche Sachen angerichtet haben, kann ich berichten: wir wohnten im 13. Bezirk, die Russen sind über den Lainzer Tiergarten gekommen, durchgebrochen, und sind die auch auf Straße runter marschiert, und sind dann in die Häuser geströmt und haben halt Quartiere gesucht für ihre Offiziere, oder was auch immer. Und so haben wir einen russischen Offizier einquartiert bekommen im Haus. Und mein Schwiegervater war Philharmoniker, und ist natürlich auch von der Oper bis in den 13. Bezirk immer zu Fuß gegangen, weil manchmal nach der Probe keine Straßenbahn gefahren ist. Und einmal wurde er verhaftet, bzw. die Russen haben alle wehrfähigen, gesunden Männer eingesammelt und nach Russland abtransportiert. Und eines Tages kommt der Schwiegervater nicht nach Hause, und meine Omi, meine Schwiegermutter, sagt, mein Gott, mein Gott, wo ist Karl, wo ist Karl? Und dieser russische Offizier hat einen Jeep beordert mit einem Fahrer und sie haben alle Bahnhöfe in Wien abgeklappert und haben nach dem Vater gesucht, also nach dem Karl. Und irgendwo, ich weiß nicht welcher Bahnhof das war, jedenfalls der Zug war schon so abfahrtsbereit und dieser Offizier schreit, halt, halt, warte noch ein bisschen, auf Russisch. Und dann haben sie gerufen Karli, Karli, Karli. Und irgendwo aus einem letzten Viehwagon hat der gesagt, ja, da bin ich, da bin ich. Und so haben sie den Schwiegervater von einem Transport nach Russland gerettet und das war eben dieser russische Offizier, der mit Vornamen Vasili geheißen hat. Und es war auch die Familie sehr dankbar, dass er im Haus gewohnt hat, weil er immer von dem Offizierscasino Lebensmittel gebracht hat und dadurch hat die Familie auch mit überlebt und er hat mit der Familie mitgegessen und hat die Familie mit Lebensmitteln versorgt.
Von Manila zurück nach Wien 1959
Ruth Steiner, Jahrgang 1944 - 29. März 2025, 14:51
Bin in Manila geboren, meine Eltern sind 1938 aus Wien geflüchtet auf die Philippinen, weil das war eines der Länder, die jüdische Flüchtlinge aufgenommen haben. Meine Eltern haben nie mit uns Kindern über die Situation in Wien gesprochen. Ich bin als 15-Jährige ins Internat nach Wien gekommen und habe das dann erst kennengelernt, was sich in Österreich abgespielt hat. Habe in Wien Jus studiert und habe mich sehr mit dem Thema auseinandergesetzt. Beschäftige mich mit dem jüdisch-christlichen Dialog und gehe auch in Schulen. Mein Vater hat immer gesagt, alle Österreicher sind Nazis und ich muss damit leben lernen.
Mit Mörder zu Weihnachten Würstel gegessen
Margit, 1964 - 29. März 2025, 14:23
Tochter eines Landwirts in OÖ. Jedes Jahr haben wir zwischen Weihnachten und Neujahr ein altes Ehepaar besucht. Meine Mutter hat mir nach dem Tod meines Vaters erzählt, dass der Mann einen jüdischen Zwangsarbeiter ermordet hatte und er war dann 10 Jahre in Haft. Mein Vater hat dann ein paar Jahre für die Familie gearbeitet. War erschütternd für mich, dass ich in meiner Kindheit jedes Jahr zur Weihnachtszeit mit diesem Mann Würstel gegessen habe, ohne das zu wissen.
Russe rettet Mutter mit Kind
Edda Krobath, Jahrgang 1939 - 29. März 2025, 14:04
Eine Freundin mit Kind wurde von einem Soldaten gerettet, der auf die die Tür geschrieben hat: "Hier liegen Pockenkranke".
Zigarettenschmuggel mit Zille über die Enns
Manfred Bilderl - 29. März 2025, 11:56
Mein Schwiegervater hat amerikanische Zigaretten mit einer Zille über die Enns geschmuggelt und den Russen verkauft
Flucht von der heranrückenden roten Arme nach OÖ
Johanna Aigner - 29. März 2025, 11:09
Frau Johanna Aigner, geboren am 17. September 1929 in Baden, berichtet von ihrer Flucht aus Baden nach Altmünster. (Bezirk Gmunden)
Als gegen Kriegsende 1945 die Lichtungs- und Mündungsfeuer aus Wiener Neustadt von der heranrückenden roten Arme am Horizont zu erkennen sind, beschließen Johanna und ihre Mutter den beschwerlichen Weg nach Oberösterreich anzutreten, damit sie vor den Russen geschützt sind.
In Altmünster erwarten sie amerikanische Einheiten, die einen besseren Ruf in der Umgangsweise mit Gefangenen, als die rote Arme, genießen.
Kindheit auf einem Bergbauernhof in Öblarn
Gertrud Vidovic geb. Erhardt - 28. März 2025, 18:52
Der Beitrag befasst sich mit der Kindheit auf einem Bergbauernhof, der von Frauen - Großmutter bzw. Tante - geführt wurde und dem Schulbesuch während und nach der Kriegszeit. Angesprochen wird auch die (gute) Versorgung mit Nahrungsmitteln.
Kindheit auf einem Bergbauernhof in Öblarn
Gertrud Vidovic geb. Erhardt
Ich wurde 1934 geboren und habe meine Kindheit und die Kriegszeit auf einem Bergbauernhof in Öblarn (Stmk) verbracht, den meine Großmutter und nach ihrem Tod meine Tante allein – mein Onkel war im Krieg - bewirtschaftet hat. Zur Unterstützung meiner Tante, wurde dem Hof eine Zwangsarbeiterin aus der Ukraine zugeteilt, die mir einige Worte in Ukrainisch beigebracht hat. Nach dem Krieg ist sie in ihre Heimat zurückgekehrt.
Noch kurz vor Kriegsende wurde der Bahnhof von Öblarn zwei Mal von amerikanischen Fliegern angegriffen; Erzählungen zufolge wurde Hitler in Schloss Gstatt vermutet.
Mein Schulweg war im Krieg gefährlich. Wir mussten nach Beendigung des Unterrichtes entweder durch das Friedhofstor über die Wiesen Richtung Wald laufen oder falls es Tieffliegerangriffe gab, diese im Luftschutzkeller des Amtshauses abwarten und anschließend so rasch wie möglich den Heimweg auf den Berg antreten. Noch heute, ich bin mittlerweile über 90 Jahre alt, kommen immer, wenn ich das Amtshaus sehe, die schlimmen Erinnerungen an diese Zeit hoch. Nach Kriegsende wurde der Religionsunterricht wieder eingeführt und man durfte wieder mit ‚Grüß Gott‘ grüßen.
Im Gegensatz zu meinen Schulfreunden, die nicht auf einem Bauernhof aufgewachsen sind, hatte ich sowohl während des Krieges als auch in der Nachkriegszeit genug zu essen. Ich habe gerne meine dick bestrichenen Butterbrote gegen Brot mit Essiggurkerl und nach Kriegsende gegen Dosenkekse, die von englischen Besatzungssoldaten verteilt wurden, getauscht. Ich erinnere mich noch an Kleider die aus Fallschirmstoffen gefertigt wurden, ein Geschenk ebenfalls von Besatzungssoldaten.
Nach dem Krieg kam einmal ein Mann aus Graz auf unseren Hof, der Honig gegen Stoffe eintauschte.
Studienbuch Universität Wien aus 1944
Melitta Matousek - 28. März 2025, 16:15

Das Studienbuch meiner Mutter aus 1944; auf Rat ihres Vaters, meines Großvaters, musste sie studieren, wollte lieber Säuglingsschwester werden, was er ihr verbot. Ahnte er etwas....?
Erinnerungen von Melitta
Melitta Matousek, Jahrgang 1955 - 28. März 2025, 16:06
Erinnerungen an Erzählungen meiner Familie aus der Nachkriegszeit in Wien
Ich bin im Jahr des Staatsvertrags als Älteste von drei Geschwistern geboren.
Juden und Nazis: in unserer Familie wurde immer hinter vorgehaltener Hand geflüstert „der war auch Parteimitglied“, meine Mutter war mit einem Mädchen aus dem Reichsarbeitsdienst befreundet. Musiziert wurde mit einer Dame namens Seyss-Inquart – erst sehr viel später merkte ich etwas… Einladungen bei jüdischen Freundinnen waren oft.
Ein Freund meines Großvaters, geboren 1898, „erzählte nie etwas vom KZ“, es blieb geheimnisvoll. Es wurde nie offen über diese Zeit geredet, eher nur Bemerkungen „die Oma war so mutig, sie ist immer in jüdische Geschäfts einkaufen gegangen“, oder „der RAD war eh nicht so arg, wir durften am Sonntag in die Kirche gehen!“ ?
Meine Großmutter, geboren 1899, erhielt das eiserne Mutterkreuz: mein Vater hatte noch vier Geschwister. Als tiefgläubige Katholikin war sie sehr stolz darauf. Mein Vater, geboren 1914, lernte Neugriechisch in der Hoffnung, dann nicht „an die Front“ zu müssen, stimmte auch, er war Funker und Übersetzer. Meine Mutter, geboren 1925, wollte Säuglingsschwester lernen, mein Großvater – ahnte er etwas? – verbot es ihr mit „wer weiß, was du dann machen musst“. Schlussendlich studierte sie Germanistik und dissertierte über einen damals wie heute unbekannten Dichter.
Meine Eltern heirateten 1951 in Wien, gemeinsam mit den beiden Brüdern des Vaters, getraut von ihrem Onkel, dem Bruder der Großmutter! Mutter und Vater erzählten noch später vom Stress dieser Feier mit drei verschiedenen Verwandtschaften. Eine Freundin der Familie nähte aus einem alten Kleid ihr Hochzeitskleid.
Meine Mutter litt sehr darunter, dass sie für die Uni einen Aufstrich aus gekochten Erdäpfeln auf ein hartes Brot als Imbiss mitbekam. Sie erzählte auch, dass meine Großmutter, geboren 1898, sie mit weiter unansehnlicher Kleidung anzog – wohl, um damit etwaigen Vergewaltigungen zu entgehen.
Hier haben wir noch ein Kriegstagebuch meines Vaters und einige Fotoalben, sowie Tagebücher meiner Mutter, die überwiegend in Kurrent geschrieben sind.
Durch den Schatten singen
Ruth Margot - 28. März 2025, 15:28
Mein Vater Antonio Corrias war italienischer Partisan und Sarde. Nach dem 2. Weltkrieg bekam er das Kriegsverdienstkreuz, aber als mein Vater versagte er.
Während dem 2. Weltkrieg nahm mein Vaterland 105 000 Soldaten und Partisanen auf und rettete sie vor dem Tod durch die Faschsten. Zuerst plante die Schweiz ein grosses "Conzentrationslager" in Büren an der Aare. Der Plan wurde aufgegeben und die fremden Internierten wurden auf ca. 600 kleinere Lager, meist in Schulhäusern und Sälen der Gasthöfe von Dörfern verteilt.
Am 12. Oktober 1944 bat der Partisan Antonio Corrias am Grenzposten in Brig um Asyl. Er kam einige Wochen später ins kleine Bauerndorf im Emmental, nach Ursenbach.
Antonio begegnete meiner Mutter, die in der Dorfbäckerei das Brot verkaufte.
Hätte meine Mutter den "Orangenen Befehl" von der Schweizerischen Armeeführung befolgt, wäre ich nicht geboren worden.
Nach kurzer Liebe war der Krieg zu Ende, Antono kehrte nach Italien zurück und ich kam am 25.Dezember 1945 von niemandem gewünscht auf die Welt.
Heute bin ich 80 jährig und fühle die Narben der schlimmen Kindheit nach wie vor. Von meinem Vater habe ich aber die wunderbare sardische Stimme geerbt. Sie hat mir zum Überleben geholfen.
Nach längerem Überlegen habe ich als Roman meine Biografie geschrieben:
Ruth Margot
Durch den Schatten singen
Weber-Verlag Thun
Ich hoffe, dass dieses Buch Menschen mit zwei Heimaten zu einer guten Zukunft hilft.
Webseite
http://www.margotmargot.ch
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