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kriegsjahre im salzburger flachgau

franz braunwieser - 24. April 2025, 10:18

kriegsjahre im sbg flachgau 2

kriegsjahre im flachgau 2

die gestohlene kuh

franz braunwieser - 24. April 2025, 10:05

diebstahl - hunger - familiärer zusammenhalt

1944 bewirtschftete meine mutter alleine den bauernhof, mein vater war in russland und kam 1948 erst aus der gefangenschaft heim
meine schwester war 5, ich 3
als die mutter früh morgens in den stall zum melken ging und da war eine der beiden kühe einfach weg
man hatte sie uns in der nacht gestohlen
die verbliebene kuh kam zur sicherheit zum mesner und bauern in der ortsmitte, das hatte der bürgermeister so unterstützt
damit unsere letzte nahrungsquelle -besonders für uns kleinkinder - gerettet und gesichert war
es waren ja auch noch 2 Cousins (2,4 jahre), die schwägerin, ehnl und ahnl (die grosseltern) und ein französischer zwangsarbeiter am hof
jeden tag 2x musste meine mutter nun 20 min zum melken ins dorf gehen
gut dass wir eine so grosse familie waren und zusammen geholfen haben
die väter waren im krieg die frauen mussten alles alleine bewältigen

Krieg: Mit dem Baby auf der Flucht, Seite 2 von 2

Karl Graf - 23. April 2025, 21:56

Kopie aus dem Stotzinger Geschichtenbuch

Kopie aus dem Stotzinger Geschichtenbuch 1997. Entstanden durch Befragung alter Leute

Krieg: Mit dem Baby auf der Flucht, 1. Seite von 2

Karl Graf - 23. April 2025, 21:52

Kopie aus dem Stotzinger Geschichtenbuch

Aus dem Stotzinger Geschichtenbuch 1997, Befragung alter Leute

1945: Wollna kaputt

Karl Graf - 23. April 2025, 21:44

Kopie aus dem Stotzinger Geschichtenbuch

Aus dem Stotzinger Geschichtenbuch 1997, Verfasser Karl Graf. 1 Jahr lang alte Leute befragt, die heute vielfach nicht mehr leben.

Kinderverschickung 1948 durch Volkshilfe

Gertrude Liegl - 23. April 2025, 14:31

Ich bin im August 1937 geboren und habe viele klare Erinnerungen an die „Russenzeit!“ Habe im Laufe der letzten Jahre immer wieder Erinnerungen aufgeschrieben, daraus könnte man ein Bücherl machen.

Ich war zwar bereits in der 3. Volksschulklasse 1946 in KUMBERG (Steiermark, Bezirk Weiz) 3 Monate bei der Fleischer- und Gasthausfamilie HAIDINGER auf Erholung ( da ich brav war, haben sie mich nach den geplanten 6 Wochen behalten bis Schulschluss), dort ging es mir sehr gut und ich habe auch zugenommen. Musste als Einzige der vier T Mädchen , die von den Pflegeeltern in Kumberg ausgesucht wurden, in die Schule gehen und täglich Klavier üben. Das hat Papa so gewollt, und im Gasthaus stand auch ein Klavier. Meine beste Freundin von daheim war ganz in meiner Nähe beim Oberlehrer untergebracht, eine andere aus meiner Volksschulklasse daheim erholte sich bei den Bauern in unserer Ortschaft, die 4. Kannten wir nicht. Ich hatte sogar einen lieben, 2-jährigen „Halbbruder“ Ferdi.
Nach 2 Jahren war ich aber noch immer sehr zart und klein. So wurde ich im April 1948 für 3 Monate nach HOLLAND zur Erholung geschickt. Diesmal waren 2 andere Ternitzer Mädchen und einige Kinder aus Gloggnitz und Neunkirchen dabei. Die Trauer und Angst beim Abschied am Bahnhof von den Eltern war bald überwunden, als wir in Wien zu einem anderen Bahnhof gebracht und in einen Zug voller unterernährten österreichischen Kindern gestopft wurden. Man freundet sich da schnell an. Heimweh hatte ich eigentlich nicht. Ich glaube, wir waren die 1. Nacht im Zug, die 2. Bei der Grenze zwischen Deutschland und Holland, da mussten wir aussteigen und wurden „Ganzkörper“-untersucht. Das war unangenehm, dauerte lange und machte mir Angst. Aber dann fuhren wir in Bussen weiter bis ARNHEIM. Dort wurden wir für 1 Nacht von Pflegeeltern „ausgesucht“. Ich wurde wieder sofort genommen, von einer noch jungen Mutter eines kleinen Buben, sie sprach etwas deutsch, bewirtete mich großzügig und ich schlief wieder einmal in einem weichen, reinen Bett. Dort hätte es mir gleich für alle 3 Monate gefallen, aber ich musste mit den anderen weiter. Nächste Station für unseren Bus war DEVENTER! Wieder mussten wir aussteigen und wurden von den bereitstehenden Pflegeltern begutachtet und wieder wurde ich sofort ausgesucht. Diesmal war es eine grauhaarige, große DAME, die sehr gut deutsch sprach und gleich sehr lieb mit mir umging. Ich war scheu, ungewohnt schüchtern. Wir gingen zu einer Siedlung, wie unsere Reihenhäuser, alle mit Garten und ich hörte Kinder, das tat gut. Drinnen empfing mich der Verbundenheit und Liebe ausstrahlende „Onkel“, der Hausherr, und zu der Dame durfte ich Tante sagen. Sofort zeigte sie mir „mein“ Zimmer im Obergeschoß, das war eigentlich das Zimmer ihres zur Zeit in INDONESIEN kämpfenden, 19-jährigen Sohnes Gerrit. Dann gab es ein sehr großzügiges Abendessen, dazu kam auch GERDA, meine damals 17-jährige „Gastschwester“, die als Schuhverkäuferin in der Stadt arbeitete, mit ihrem Boy-Friend PIET, der gerade seine Matura gemacht und nach der HTL zu arbeiten begonnen hat. Ich wurde von allen so herzlich aufgenommen und fühlte mich schon daheim. Am Morgen gab es zum Frühstück Schokolade- und bunte Stäbchen, diverse Marmeladen und Honig, Weißbrot, Butter – ich wusste gar nicht, wo ich anfangen sollte zu meinem herrlichen Kaukau! Onkel und Gerda waren schon fort zur Arbeit. Vor der Schule kam noch rasch REINTJE, eine der Nachbarstöchter in meinem Alter, um mich zu begrüßen. Da es mein Papa so vorgeschlagen hat, fuhr TANTE mit mir (per RAD) in die Schule und meldete mich an. Ich blieb gleich dort, da der JAN in der selben Klasse auch in unserer Siedlung wohnte, und die beiden zeigten mir am Heimweg den „Abschneider“ durch ein Kornfeld, den ich aber gar nicht alleine gehen musste, da wir immer zu dritt waren. Vorerst konnte ich KEIN Wort holländisch, aber es war nicht schwer, da ich ja daheim schon bald ein Jahr lang englisch lernte, und am Ende meiner 3-monatigen Schulzeit in DEVENTER konnte ich perfekt Briefe schreiben und verstand auch die anderen Kinder und Verkäufer, auch am Fischmarkt, zu dem ich jeden Freitag mit Tante mitgehen durfte in die „Untere Stadt“ und einen mir bis dahin völlig unbekannten ROLLMOPS bekam! Die meisten Erwachsenen sprachen mit mir ohnehin deutsch. Nur in der ersten Tagen machte ich mir Sorgen um meine Ternitzer Klassenkameradin RUTH Brandstätter, die im Bus weiterfahren musste, aber Tante erfuhr bald, dass es ihr in UTRECHT ebenso gut geht wie mir hier. Unter den Kindern am Schulweg gab es nach der deutschen Besatzung so ein (verbotenes) Lied: „Du bist verrückt, mein Kind, Du musst nach Berlin! Dort, wo alle Verrückten sind, da musst Du jetzt hin!“ Mein Papa bat die Pflegeeltern auch in einem mitgegebenen Brief, ob es eine Möglichkeit gäbe, dass ich wenigstens 2-3 mal pro Woche irgendwo KLAVIER üben könnte. Die Noten waren ja eingepackt! Und da meine Tante aus einer angesehenen Familie kam, hatten ihre Eltern, OPA und OMA van Peters, ca. 20 Minuten entfernt lebend, einen schönen, alten Stutzflügel und betreuten mich nach dem üben wieder mit Süßigkeiten, die es bei uns gar nicht gab, und sprachen auch deutsch! Mir ging es also rundherum sehr gut, Heimweh kannte ich gar nicht. Später war ich sogar ein bißerl verliebt in den Jan, der hübsch und sportlich war.

4. Was gab es noch im Krieg und danach

Illi-4 - 22. April 2025, 11:35

Auszuge aus der Geschichte meiner Familie, die ich als Zeitzeuge (geboren 1933) für meine Kinder und Enkel geschrieben habe, um die Lebensumstände in früheren Zeiten nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Teil 4.

In Zeiten der Not hat Kleidung keinen modischen Stellenwert. Kleidung jeder Art, Stoffe, Wolle, neu zu kaufen, war kaum möglich, selbst mit Bezugsschein, der "Reichskleiderkarte", gab es nur wenig. Obwohl es an allem fehlte, schaffte man es doch, nicht nackt, sondern eben mit alten, x-mal reparierten oder umgenähten Klamotten herumzulaufen. Man war froh, überhaupt etwas zum Anziehen zu haben, bei Kindern, wenn es „noch“ oder „in etwa“ passte, und geflickte Sachen mussten selbstverständlich weitergetragen werden, zu klein gewordene Kleider und Schuhe wurden an jüngere Geschwister oder Kinder von Verwandten und Bekannten weitergegeben. So „erbte“ mein jüngerer Bruder manches von mir, und ich wiederum von meiner älteren Schwester. Etwas auszusortieren, weil es nicht mehr schön war oder nicht mehr gefiel, war undenkbar.

Auch im Winter trug ich als Bub dieselbe kurze Lederhose wie im Sommer und dazu lange Strümpfe, die von einem „Strumpfbandhalter“ festgehalten wurden, womit ich mich jedoch gar nicht wohlfühlte. Der Vorfall bei unseren Schießübungen, davon habe ich an anderer Stelle berichtet, hinterließ in meinem Strumpf zwei kleine Löcher. Diese wurden natürlich „gestopft“. Diese Strümpfe musste ich noch einige Jahre weitertragen, wuchsen aber mit mir nicht mit, so dass die beiden Löcher allmählich nach unten wanderten! Strümpfe-Stopfen, was ich zur Entlastung meiner Mutter auch lernen musste, war eine Notwendigkeit, es konnte so weit gehen, dass ein Strumpf schließlich fast nur noch aus „Stopfe“ bestand.

Nicht mehr reparables Gestricktes wurde aufgetrennt und aus der Wolle etwas Neuers gestrickt. Aus kleinsten, auch schäbigsten Stofffetzen fabrizierten meine Mutter, meine Großmutter und meine Großtante mit viel Geschick Kleidungsstücke, und wenn das nicht möglich war, dann wurde zumindest noch zur Selbstherstellung hergestellt. Man hatte auch kein Problem damit, ein zu kurzes Kleis mit einem ganz anderen Stoff zu verlängern. Wie etwas aussah, war nicht wichtig, Hauptsache, man hatte wieder etwas zum Anziehen.

Schuhe wurden x-mal neu besohlt, bis die Löcher zu groß waren. Ein Loch vorne konnte es aber ermöglichen, den Schuh länger zu tragen, wenn der Fuß schon darüber hinausgewachsen ist.

Eine anschauliche Vorstellung gibt das folgende Zitat aus einem Brief meiner Mutter an unsere Großtante: „ …der Kleine hat nichts mehr anzuziehen, besonders keine Hosen. Am meisten Jammer ist es mit den Schuhen. Alle 3 haben nichts mehr, keine Reparatur seit fast einem Jahr, von neuen gar nicht zu reden. Das Mädchen trägt meine und Mutters Schuhe, den Bub kann ich bald nicht mehr in die Schule schicken. Er trägt Mädchenschuhe mit hohen Absätzen. Der Kleine hat nur ein einziges Paar und ich zittere schon, wenn sie kaputt gehen. Er geht doch so gerne hinaus. Sockerln für den Sommer hat er auch nicht mehr, sind zu klein. Alles geht aus und nichts kann man anschaffen. Wenn es nur bald warm werden würde, dann können die Buben barfuß gehen. …“
Noch zwei kurze Stellen aus Briefen meiner Mutter: „ …. Die Matratzen in unseren 2 Betten sind nur noch Fetzen,“ und „ …. Vielleicht hast Du noch ein Handtuch, aus dem man ein Hemd schneidern könnte?“

Die schlechte Versorgungslage betraf auch die Brennstoffe. Kohle und Holz zur Beheizung der Öfen und Herde wurde nur in beschränkter, rationierter Menge zugeteilt. Es gab lange Wartezeiten und nur Braunkohle in schlechter Qualität, das heißt mit hohem Aschegehalt und beim Brand die Luft verpestend. Mit großen Plakaten, einen schwarzen Mann mit einem Auge, einen Sack tragend darstellend, der "Kohlenklau“, wurde zu Sparsamkeit aufgefordert.
Die Zuteilung des Brennstoffs erhielt man im Herbst, vor das Haus auf den Gehsteig geworfen und es gehörte wiederum zu meinen Aufgaben, das Ganze durch das Kellerfenster in den Keller zu schaufeln und später imder Gebrauchsfall in Eimern nach oben in die Wohnung zu tragen. Damit es über den Winter, die meisten waren sehr kalt, ausreichte, musste sehr sorgfältig damit umgegangen werden. Das heißt, wir heizten nur den Kachelofen im Wohnzimmer und diesen auch nur im Bedarfsfall ein. Somit war der einzige durch den Kohleherd einigermaßen warme Raum die Küche, in der sich im wesentlichen unser Leben abspielte. Natürlich zogen wir uns daheim auch wärmer an.

Und der ebenfalls kohlebeheizte Badeofen wurde höchstens jeweils am Freitag angeschürt, das war Badetag für alle. Zur Reinigung diente Kernseife. Der letzte Seifenrest wurde auf ein neues Stück Seife geklebt, um nichts zu vergeuden.

Nichts, was wir benützten, durfte weggeworfen werden, sondern wurde für eine eventuelle Wiederverwertung sorgfältigst aufgehoben. Papier gab es in Form der einen Zeitung, dem „Völkischen Beobachter“, selten als Einwickelpapier oder Sackerln, - Kunststoff kannte man noch nicht. Die Geschenke für Weihnachten und Geburtstage waren im selben Papier eingewickelt und mit denselben Bändern verschnürt, die schon in den Jahren davor dafür eingesetzt waren. Papierreste diente zum Feuermachen im Herd und im Ofen. Zeitungspapier, entsprechend klein zugeschnitten und weichgerubbelt war unser Toilettenpapier. Die schwarz verfärbten Unterhosen waren dabei das geringere Übel.

Zahnstocher wurden aus abgebrannten Zündhölzern geschnitzt. Zahnpasta Tuben wurden aufgeschnitten, um an den letzten Rest ihres Inhalts zu gelangen. Runde Metallblättchen, mit Schrauben festgehalten, dienten zum Verschließen von Löchern in Pfannen und Töpfen. Dies sah nicht besonders attraktiv aus, aber die Töpfe waren wieder funktionsfähig. Auch dies zählte zu meinen Aufgaben im haushalt.

Natürlich musste auch mit Strom gespart werden. Oft war er abgeschaltet, meist zur Hauptzeit. Möglichst schwache Glühbirnen waren angebracht, 40 Watt, mit 60 Watt-Birnen hatte man schon ein schlechtes Gewissen. Dass das Licht nur dann brannte, wenn man es wirklich brauchte, war selbstverständlich. Lampen brennen lassen, ohne sie zu brauchen, war eine große Sünde! (Und ist eds auch noch!)

Zur Korrespondenz: Jemanden eine Nachricht zukommen zu lassen, da brauchte man Geduld. Eine Post gab es, aber sie war nicht zuverlässig und dauerte nicht Tage, sondern Wochen, vor allem nach Kriegsende, da alles von den Besatzungsmächten kontrolliert wurde. Das führte oft zu besorgten, sich oftmals überschneidenden Rückfragen. Ein Telefon in unserer Wohnung habe ich nicht erlebt. Damals hatten es nur die Wehrmacht und Behörden. Die Vorstellung, mit jemanden zu reden, den ich gar nicht sehe, war mir ohnehin nicht geheuer. Für dringende Informationen ging man zur Post und sendete ein Telegramm oder telefonierte von dort, aus Kostengründen tunlichst beschränkt auf wenige Worte.

Spielsachen, wie man sie heute kennt, waren ebenfalls absolute Mangelware. Entsprechend spärlich waren immer die Gabentische. Dank der regelmäßig von mir an meine Großtante in Linz gerichteten schriftlichen Berichte kann ich heute nachlesen, was ich z. B. 1945 zu Weihnachten bekommen habe: ein Puppenkasten zur Aufbewahrung meiner Bastelwerkzeuge, drei Bücher (Der Löwe von San Marcus, Das Geheimnis der RA 113 und Fridtjof Nansen), ein Teller Kekse (aus Roggenmehl), ein Stück Torte, ein Luftkampfspiel. Das war`s und machte viel Freude! Ja, ein Teller Kekse war schon etwas Besonderes! Ich fühlte mich ausreichend beschenkt.

Gegenseitige Besuche, wie z.B. Geburtstagseinladungen, kannte ich nicht. Der soziale Kontakt mit anderen Kindern fand im Wesentlichen im Hof hinter dem Haus und auf der Straße statt. Es waren immer genügend Kinder aus unserem Haus und der Nachbarschaft da, mit denen ich „Verstecken“, „Tempelhupfen“, „Schneider-leih-mir-die-Schere“, „Zur-Suppe-greift“ oder auch Völkerball spielte. Oder wir spielten ganz einfach „Familie“, mit verteilten Rollen. Oder „Ringel-Ringel-Reihe“.
Ein beliebtes Spielgerät war die sich üblicherweise in jedem Hof befindende „Klopfstange“, ihr eigentlicher Zweck, die Teppich-Reinigung, für uns Kinder war sie ein intensiv genutztes Turngerät.

3. Essen in Kriegs- und Nachkriegszeit

Illi-3 - 22. April 2025, 11:32

Auszuge aus der Geschichte meiner Familie, die ich als Zeitzeuge (geboren 1933) für meine Kinder und Enkel geschrieben habe, um die Lebensumstände in früheren Zeiten nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Teil 3.

Bald nach Kriegsbeginn wurden Lebensmittel rationiert. Es gab Reichsnährmittelkarten, Reichsfleischkarten, Reichsfettkarten, Reichsbrotkarten, Reichsmilchkarten, Reichskarten für Marmelade, Zucker und Eier. Mit Kriegsfortschritt wurde es aber immer schwerer, selbst das zu bekommen, was einem per Karte zustand.
Aufgrund der anhaltenden Mangelsituation wurde die Rationierung auch von den alliierten Besatzungsmächten nach Kriegsende beibehalten. Man lernte mit Kalorien zu rechnen, für manche nicht ganz einfach: „I hob no nia Kalorien gessn und bin net varhungert“.) Man war darauf angewiesen, sich zusätzliche „Kalorien“ zu besorgen, sei es im eigenen Garten, durch „Hamstern“ bei Bauern, Abstauben auf Feldern oder durch Schwarzhandel, wobei die „Zigarettenwährung“ eine wesentliche Rolle spielte.

Schwerpunkt unserer Ernährung waren Kartoffeln und Mais. Brot nur aus „schwarzem (Roggen-)Mehl“. Weißbrot lernte ich das erste Mal Ende 1945 kennen, durch die englische Besatzung der russischen nachfolgte. Ich war enttäuscht, denn in meiner Vorstellung hätte Weißbrot süß sein müssen! Das schwarze Mehl wurde zur Herstellung der sogenannten „Einbrenn“ verwendet, mit der damals jedes Gemüse gestreckt wurde, um es ausgiebiger zu machen. Geschmeckt hat es mir nicht, aber ich hatte ja keine Wahl.

Kuchen, wenn überhaupt, backte meine Mutter aus Schwarzmehl, oder aus Mohrrüben oder Kartoffeln. Ich erinnere mich, dass sie mir nach meiner Polypen-Operation kurz vor Kriegsende liebevoll einen machte. Er war trocken und rau, aber ich war begeistert und berührt, und er war für meinen frisch operierten Hals sehr schmerzhaft.
In ganz besonderen Fällen war der Kuchen sogar mit Staubzuger zart bestäubt. Wenn sich dabei ein kleiner Zuckerbrocken bildete, dann erhielt ich den von meiner Mutter als „Extragabe“ in den Mund gesteckt, ein Glücksmoment.

Zucker wurde, soweit zu bekommen, durch Süßstoff, wie Saccharin, ersetzt. Ich musste lernen auf Süßes, wie die geliebten „Zuckerln“, zu verzichten. An echten Bienenhonig kann ich mich nicht erinnern, manchmal bekam man „Kunsthonig“. Einen bescheidenen „Ersatz“ haben wir Kinder entdeckt, zumindest im Sommer: Annähernd süß schmeckende Pflanzen, zum Beispiel die Blüten der Taubnesseln oder auch die allerdings säuerlich schmeckenden Blätter des Sauerampfers.

Milch kannte ich nur als Magermilch. Ich erinnere mich an „falsche Schlagsahne“, als besondere Attraktion bei besonderen Anlässen. Butter ein seltener Luxus, wenn es sie überhaupt gab. Auch hier erinnere ich mich an den gewaltigen Genuss, wenn mir meine Mutter als besondere seltene Gabe ein kleines Stück, ganz blank, ohne Brot, zusteckte, wie ich es ganz langsam im Mund zerrinnen ließ, in winzigen Portionen nach und nach hinunterschluckte. Eine Wonne! Wenn überhaupt, gab es Margarine, an Thea erinnere ich mich, auf Brot meist so dünn gestrichen, dass gerade die Löcher zugeschmiert waren.

Ein dünner „Ersatzkaffee“ aus Gerste oder Eicheln, „Muckefuck“ genannt, ersetzte den vom Markt verschwundenen Bohnenkaffee.

Dank der Früchte unseres Gartens, dank verwandtschaftlicher Unterstützung und dank eingesammelter Früchte aus den Wäldern hatten wir mit Süßstoff selbstgemachte Marmelade. Und um das Wachstum im Garten zu fördern, dienten die „Pferdeäpfel“, die auf den Straßen einsammelte, als Dünger.
Das Suchen und Brocken von wilden Beeren war eine selbstverständliche Tätigkeit für uns Kinder. Leistung an einem langen Tag bis zu 5 Liter Brombeeren oder 16 Liter Schwarzbeeren.

Mein eher als Rostlaube zu bezeichnendes Fahrrad, eingetauscht gegen unseren alten Kinderwagen, war wichtig, um das uns von Verwandten in Bruck geschenkte Gemüse und Obst nach Hause zu bringen. Die Fahrt auf der mit Schlaglöchern übersäten Straße war eine Herausforderung, ohne Gepäckträger, so dass ich das, was es zu transportieren galt, im Rucksack zum Teil auf dem Rücken und zum anderen Teil in einem voluminösen Paket auf der Stange zwischen meinen Beinen hatte, was eine äußerst unbequeme, o-beinige Fahrweise erforderte. Dazu kam noch das dauernde Nachpumpen, denn die Fahrradschläuche hielten die Luft nur kurze Zeit, sie bestanden fast nur noch aus schlecht klebenden Flicken. Und sich noch einen „Patschen“ einzufangen, kam öfters auch noch dazu.

Aus den Wäldern holten wir auch Herrnpilze und Eierschwammerln, ich mit großer Begeisterung. Es waren die seltenen schönen Gelegenheiten, die ich mit meinem Vater verbringen durfte, denn daheim sah ich ihn selten, er war meist, auch sonntags, bei seiner beruflichen Tätigkeit.

Hauptnahrungsmittel war die Kartoffel, jährlich zugeteilt. 1944/45 ein ¾ kg pro Kopf und Woche, also ca. 25 kg für neun Monate, die wir kühl gelagert im Keller halten mussten, in der Hoffnung, dass im nächsten Sommer noch etwas übrig war, außer den nun gewachsenen Trieben. Auch Äpfel wurden über den Winter gelagert, und wenn man Glück hatte, wurden sie nicht ganz verrunzelt oder sogar faul.

Eine Chance, unseren Kartoffelvorrat etwas aufzubessern, lag darin, abgeerntete Felder nach Resten abzusuchen. Ich sehe noch meine Mutter und mich in der Abenddämmerung gebückt dahingehen, den Blick angestrengt auf die Erde gerichtet, um nichts zu übersehen. Man brauchte Geduld und Glück, um fündig zu werden, wobei ein gelegentlicher Griff in ein noch nicht abgeerntetes Feld doch mit einem schlechten Gewissen verbunden war.

Besonders erinnere ich mich auch an das, was wir die „gelbe Gefahr“ nannten, an den Sterz, auch als Polenta, Mais oder als Kukuruz bekannt, man könnte Mais sogar als überlebenswichtiges Lebensmittel einstufen. Meine Mutter war äußerst kreativ, sie setzte den Mais für zahlreiche Speisevarianten ein: Brot aus Maismehl, Suppen, der übliche bröckelige oder auch dünnflüssigen Sterz, manchmal mit Süßstoff gesüßt auch als „Mehlspeise“, alles mehr oder weniger gelb aussehend.

Und hier unser weihnachtliches Festmenü 1945: Gemischter Salat mit Wurst und dunklen Semmeln. Und der Stephanitag wurde mit Ersatzkaffee und falschem Schlagobers begangen.

Außer mit der Lebensmittelkarte konnten Lebensmittel auch im Tauschhandel, nach Kriegsende auch am Schwarzmarkt erworben werden. Um dazu „Zigaretten-Geld“ zu kreieren, lernten wir, solche selbst herzustellen: Anpflanzen in unserem Garten, gut gedüngt mit den gesammelten Pferdeäpfeln, Auffädeln und Trocknen der Blätter auf Schnüre, Bestreichen mit Zuckerwasser, Zusammenlegen zu fingerdicken Stößen, Erhitzen im Backrohr, Schneiden und Eindrücken in leere Zigarettenröhrchen.

Den Respekt vor dem, was auf dem Teller ist, den sparsamen Umgang mit Essen, haben wir damals sicher gelernt. Auf dem Teller etwas überzulassen, gab es nicht, wäre unvorstellbar gewesen, ebenso etwas nicht zu essen, auch wenn es gar nicht schmeckte. Sogar den Teller abzulecken, wurde manchmal toleriert, weil es im Sinne einer rationellen Essensverwertung lag.

Im Sommer 1945 und 1946 konnte ich zur Unterstützung der Nahrungsmittelversorgung meiner Familie etwas beitragen, indem ich ihnen meine Lebensmittelkarte überlassen konnte, weil ich jeweils zwei Monate als „Bauernknecht“ in der Weststeiermark im Einsatz war. Der erste begann zu Ferienanfang einen Tag vor meinem 12. Geburtstag . Es war harte Arbeit, speziell für einen eher unterernährten Zwölfjährigen, aber ich machte sie gern und ich bekam ausreichend zu essen. In einem Brief schilderte ich es meiner Großtante: „Täglich um 6,30 aufstehen, mit dem Rad der Tante Resi (die Bäuerin) fahr ich Milch abliefern, dann Grünfutter holen in einem Schubkarren für die Kühe und Schweine, mittags und abends Stall ausmisten, beim Kühe füttern helfen und Schweine, Hasen und Hühner füttern. Am Vor- und Nachmittag verschiedenes: In der ersten Zeit bei der Weizenernte: Bänder machen, die Garben zusammenbinden, zusammentragen, auf Gerüste binden. Dann begann die Heuarbeit: Mähen wurde mir nicht beigebracht, aber das Gras auseinander streuen, zu Mittag wird es umgedreht und abends auf Wände (Holzgestelle) aufgehängt. Nach einigen Tagen dann wird es von den Wänden auf einen Leiterwagen geladen, der von einer Kuh gezogen in die Scheune gefahren wird. Meist aber wurde die Kuh geschont, wegen ihrer Milchproduktion, und wir schoben den Heuwagen selbst, vorne in den Deichseln der alte Bauer und ich hinten. Es ging mit Karacho den Berg hinunter und unten über eine schmale Brücke, die erwischt werden musste, über den Bach. Später im Jahr dann Äpfel brocken. Danach kam auch der Mais dran: wird gebrochen und dann geschält. Bei der Weinlese war ich dann nicht mehr dabei, musste nach Hause in die Schule.“

Bei diesem Einsatz passierte es, dass ich beim „Rübenhauen“ meinen linken Fuß traf. Ein Stück Haut und Fleisch flog auf das Feld, zur Freude eines Huhns. Die Wunde blutete stark. Zum Arzt gehen war nicht vorgesehen. Man fand rasch eine passende Betätigung für mich, sitzend, das Bein hochhaltend: Mohn „Auskiefeln“. „Untätiges Herumlungern“ war eben auch nicht drin.

Im Blick vom Heute zurück in diese Zeit möchte ich bemerken, dass ich nicht bedaure, diese Zeit des allgemeinen Mangels erlebt zu haben. Sie hat bis heute noch Spuren hinterlassen.
Man lernte, mit buchstäblich allem sparsam umzugehen und auf eine eventuelle weitere Verwendung zu achten, eben mit dem zurecht zu kommen, was man hatte.
Ein bildhaftes Beispiel dazu: Ich drücke jede von mir benützte Tube bis zum letzten Rest aus, oder schneide sie auf, um den Rest verwerten zu können. Und wenn ich irrtümlich zu viel herausgedrückt habe, dann versuche ich, es wieder zurück in die Tube zu ziehen!
Das Wort „Nachhaltigkeit“ gab es damals nicht, aber man hielt sich daran. Heute wird dieses Wort viel gebraucht, aber es wird kaum danach gelebt.

2. Teil: Kriegsende mit russischer Besatzungsmacht

Illi-2 - 22. April 2025, 11:28

Auszuge aus der Geschichte meiner Familie, die ich als Zeitzeuge (geboren 1933) für meine Kinder und Enkel geschrieben habe, um die Lebensumstände in früheren Zeiten nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Teil 2.

Das Kriegsende war eine gravierende Änderung. Ich kannte zuvor nichts anderes als das SN-Regime und ganz plötzlich war ich kein Hitlerjunge (Pimpf) mehr. Total ungewohnt und mir deshalb schwerfallend, war zum Beispiel die erforderliche andere Art des Grüßens, statt des alleinigen „Heil Hitler“ nun „Grüß Gott“, „Guten Morgen“ bzw. „Guten Abend“ oder sogar „Küss die Hand“! So passierte einem zum Beispiel oft noch lange, dass beim Eintritt des Lehrers in die Schulklasse automatisch die rechte Hand in die Höhe schnellte, so wie es einem jahrelang beigebracht wurde.
Man spürte eine allgemeine Veränderung der Stimmungslage, einerseits Freude, dass der Krieg zu Ende ist, andererseits aber Besorgnis, wie die Zukunft unter den Besatzungsmächten sein wird. Denn eine Verbesserung der Lebensumstände zeigte sich nicht, im Gegenteil, der Mangel an allem war noch gravierender. In meiner Erinnerung waren die nächsten zwei Jahre die härtesten, die ich erlebt habe. Wir Kinder mussten viel verantwortliche Tätigkeiten übernehmen, für die wir eigentlich noch zu jung waren. Aber dies erschien mir damals als selbstverständlich.

Als ich am Morgen des ersten „Friedenstages“ aus dem Fenster hinunter in unseren Hof schaute, blickte ich in die Mündung einer Kanone, die dort in einer frisch ausgehobenen Grube aufgestellt war. Darum herum zahlreiche russische Soldaten. Bald darauf ein stürmisches Klopfen an der Eingangstür unserer Wohnung und unsere ganze Familie stand voll Angst auf der anderen Seite. Erst viel später konnte ich ermessen, was für eine wahnsinnig schwierige, gefährliche Situation das für meine Eltern gewesen sein muss. Würde die Tür halten? Sollten wir besser öffnen? Was, wenn sie den Stößen nicht standhielt und die Russen dann nicht nur in der Wohnung, sondern auch noch verärgert wären? Glücklicherweise hat die Tür gehalten. Die Soldaten zogen weiter und verschafften sich wohl in anderen Wohnungen Einlass. Aber ein paar Tage später trommelten wieder Russen heftig an unsere Tür. Diesmal klärte unsere Großmutter die Situation souverän. Sie öffnete die Tür stellte sich vor die Russen, meinen dreijährigen Bruder auf dem Arm, und herrschte die Russen lautstark an, das Kind bräuchte Ruhe. Die Russen waren so perplex, dass sie betroffen zurückwichen, obwohl sie sicher kein Wort verstanden haben.

Meine siebzehn Jahr alte Schwester war zu dieser Zeit in der nahe liegenden Wohnung meiner Großmutter versteckt. Mit großem Entsetzen sahen wir gegenüber auf dem Balkon meiner Großmutter russische Soldaten. Ich wurde zur Erkundung hinübergeschickt, denn Kindern taten die Russen meist nichts. Ich hatte auch später nie Probleme mit ihnen. In Großmutters Wohnung hatte es sich ein russischer Offizier, wohl der Anführer der Russentruppe, in ihrem Bett bequem gemacht. Seine Bemühungen, die resolute Frau zu sich ins Bett zu bringen, waren erfolglos. Sie müsse sich doch um das leibliche Wohl seiner Leute kümmern, die müde und hungrig seien und was zum Essen bräuchten. Zahlreiche Soldaten hatten sich im anderen Zimmer der Wohnung, zumeist am Boden auf den Teppichen hockend, niedergelassen. In diesem Zimmer, in der Ecke hinter dem Kachelofen, war meine Schwester versteckt. Die Russen verlangten nach Alkohol. Meine Großmutter kam auf die Idee, mich dazu einzusetzen, die Russen zum Gasthof Dorn am anderen Ende der Stadt zu führen, von dem es hieß, dass es dort noch Schnaps gäbe. Die Aussicht auf Alkohol lockte sämtliche Soldaten aus der Wohnung und so geschah es, dass ich zwölfjähriger Stöpsel durch Leoben marschierte, hinter mir eine Schar alkoholgieriger russischer Soldaten und auch der Offizier war dabei. Währenddessen konnte meine Schwester, als alter Mann verkleidet, in unsere Wohnung zurückgebracht werden.

Nicht weit von unserer Wohnung war die Kaserne, in die nun die Russen eingezogen waren. Sie kannten wohl keine Toilette mit Spülung, damals noch mittels einer Ziehkette zu bedienen; deshalb wurde kolportiert, sie würden die von ihnen als „Strickzimmer“ bezeichnete Toilette auch zum Waschen benützen. Wie schon erwähnt, zumeist hatten sie Kinder gern. Ich konnte in der Kaserne problemlos aus- und eingehen, nutzte dies als große Chance, unsere Familie mit Essbarem, was sie mir meist freundlich zusteckten, zu versorgen. So wurde mir öfters meine 3-Liter-Milchkanne aus der Gulaschkanone vollgefüllt. Und beim Herumstreifen durch die Räume konnte ich herumliegende Brotreste einsammeln. Das hat uns nahrungsmäßig sehr geholfen, über diese Zeit hinwegzukommen.

Durch mein Herumstreichen in der russischen Kaserne habe ich mir aber auch Wanzen eingefangen, erkennbar durch blutige Flecken auf dem Betttuch. Das war alles eher als lustig! Wie wir sie bekämpft haben, weiß ich nicht mehr. Läuse, worunter viele klagten, hatte ich interessanterweise keine, wohl aber meine Schwester.

Ein Kuriosum: Wenn man in die amerikanische Besatzungszone einfuhr, wurde einem am Kragen zwischen die Kleidung mit einem Pulverzerstäuber das Infektionsmittel DDT hineingeblasen. So sorgfältig achteten die US-Amerikaner auf die Hygiene! Beim Übertritt von der englischen in die russische Zone wiederum wurden die Anzahl der Stempel im Pass gezählt. Wenn die Anzahl nicht stimmte, ich glaube elf oder zwölf waren vorgeschrieben, dann musste der Betroffene einen Tag für die Russen Holz hacken, wie mir erzählt wurde.

Die russische Besatzung „genossen“ wir drei Monate lang bis September 1945. Im Zuge der endgültigen Aufteilung Österreichs in vier Besatzungszonen kam die Steiermark jetzt in den Hoheitsbereich der Engländer. Damit versiegte das von mir besorgte Zusatzessen aus der Russenkaserne, so dass unsere Versorgungslage wieder schlechter wurde. Vor ihrem endgültigen Abzug leisteten die Russen noch „ganze Arbeit“, indem sie im Bestreben möglichst viel mitzunehmen, ganz einfach mit ihren Lastautos an die Häuser heranfuhren und aus den Fenstern der Wohnungen, die sie besetzt hatten, alles, was nicht angekettet war, Kleidung, Möbel, Lampen, etc., sah ich auf die Ladeflächen herunterfliegen, auch aus den obersten Stockwerken. Übrigens wäre es sehr unklug gewesen, damals auf der Straße eine Armbanduhr zu tragen, man kam mit Sicherheit ohne „Uri“ wieder nach Hause! Für mich ungefährlich, ich besaß noch keine Uhr. Das galt eben alles noch als Kriegsbeutegut, obwohl der Krieg eigentlich vorbei war. Ob sie mit diesen demolierten Dingen viel anfangen konnten, ist fraglich.

1. Erlebnisse in den letzten Kriegswochen

Illi-1 - 22. April 2025, 11:19

Auszuge aus der Geschichte meiner Familie, die ich als Zeitzeuge (geboren 1933) für meine Kinder und Enkel geschrieben habe, um die Lebensumstände in früheren Zeiten nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. 1. Teil.

1933 geboren verbrachte ich die Kriegs- und Nachkriegszeit zusammen mit meiner ältere Schwester und meinem dreijähriger Bruder bei meinen Eltern, in einer Mietwohnung in Leoben wohnend. Wenn ich an diese frühe Zeit zurückdenke, dann fallen mir vor allem die häufigen Fliegeralarme ein, die viele Zeit, die wir im Luftschutzkeller verbrachte. Auf Leoben fielen aber keine Bomben, wohl aber hörten wir oft die auf Graz zufliegenden Flugzeuge. Der heute bei Feueralarm gegebene Sirenenton, der den Fliegeralarm einleitete, berührt mich heute noch unangenehm. Ich war nicht begeistert, immer wieder nachts aus dem warmen Bett geholt zu werden, aber man nahm es als selbstverständlich hin, wir Kinder kannten es nicht anders. Rückblickend zeigt es mir, dass sich der Mensch an von ihm nicht zu beeinflussende Umstände gewöhnen kann. So hatte ich auch keine Angst, dass etwas Schreckliches passieren könnte.
Das Schicksal, ausgebombt zu werden oder wie es vielen anderen damals erging, sogar fliehen zu müssen, blieb mir und meiner Familie erspart. Auch spätere Einquartierungen durch die Besatzungsmächte blieben uns erspart. Was eine zerbombte Stadt bedeutet, erlebte ich in Graz, wo der Bahnhof und das Gelände herum nur noch aus Bombentrichtern bestand. Beim Umsteigen in einen Anschlusszug musste man zwischen den Trichtern balancierend lange Strecken zu Fuß gehen.

Die Züge, von kohlebeheizten Dampflokomotiven gezogen, waren so voll, dass ich froh war, wenn ich noch einen „Stehplatz“ auf den Puffern zwischen den Waggons fand. Für die 70 km lange Strecke von Leoben bis Graz war man mehrere Stunden unterwegs. Einmal erlebte ich unterwegs einen Fliegerangriff. Der Zug hielt auf freier Strecke an und ich rannte mit den anderen Reisenden unter Bäume, Schutz suchend vor einem niedrig fliegenden Jagdflugzeug, welches auf uns herunterschoss.

In der Nähe von Leoben waren Fliegerabwehrkanonen (FLAK), bei deren Einsatz Granatsplitter entstanden, bizarre Gebilde, die ein beliebtes Sammelobjekt waren. Ich erinnere mich, dass während eines Bergausflugs die FLAK geschossen hat und wir uns in Böschungen, die Rucksäcke auf den Kopf haltend, zu schützen versuchten. In den letzten Kriegsmonaten konnte man auch Gewehrpatronen finden, wohl von durchziehenden, vielleicht fliehenden Soldaten, denn die Front im Osten war nicht mehr sehr fern.
Leichtsinnig schlugen wir Buben diese auf, holten das Schießpulver heraus und hatten Spaß daran, mit diesem am Boden Figuren zu bilden und sie an einem Ende anzuzünden. Unsere Eltern wussten nichts von diesem gewagten Spiel!

Kurz vor Kriegsende. Anfang April 1945, erlebte ich in Leoben einen Durchzug von Gefangenen. In langen Schlangen zogen armselig und erschöpft aussehende Menschen in schmutzigen weißlich-grauen Gewändern - ungarische Juden, wie ich viel erfuhr - durch die Stadt, eskortiert von einigen zivilen und uniformierten Personen. Das war zwar aufregend für mich, aber eher spannend, man eilte hin, war neugierig, aber ich kann mich nicht erinnern, dass es mich besonders berührt hat. Ich meine auch gesehen zu haben, vielleicht weiß ich es auch nur aus Erzählungen, dass Gefangene, die nicht mehr weiterkonnten, erschossen wurden. Dieses Ereignis ist als „Todesmarsch“ in die Geschichte eingegangen.

Ich erinnere mich noch deutlich an die in den letzten Kriegswochen fliehenden Menschen, die mit übervoll beladenen, von Pferden oder auch selbst gezogenen und geschobenen Leiterwägen durch die Stadt kamen. Von so einem Wagen reichte mir einmal eine Frau einen kleinen Schemel, sie erkannte wohl, wie sinnlos es für sie war, diesen mitgenommen zu haben und war glücklich, dass ich mich darüber freute. Die Menschen, darunter auch Soldaten, kamen von Osten, aus Richtung Bruck und gingen weiter in die andere Richtung, vor den Russen fliehend, in der Hoffnung, die westliche Front der Amerikaner zu erreichen.

Was habe ich damals empfunden, als ich mich zwischen diesen Fluchtwägen und den vielen fliehenden Menschen herumbewegte? Jahrelang hörte ich nur von Siegen der Deutschen und nun dieses vernichtende Ende, dieses Chaos. Es war beängstigend, aber ich glaube nicht, dass ich mir viel Gedanken gemacht habe, ich nahm auch dies hin, genauso wie die bedrückenden Umständen der Kriegsjahre davor. Ich war wohl zu jung, um Zusammenhänge erfassen zu können.

Ganz kurz vor Kriegsschluss hatte ich noch ein besonders Erlebnis. In dem ganzen Wirbel dieser letzten Kriegstage lag auf den Straßen allerlei Kriegsgut herum, darunter auch Gewehre, für die meine Freunde und ich sich besonders interessierten. Wir nahmen welche an uns, keiner kümmerte sich darum, und wir schossen am Flussufer der Mur, von den Eltern nicht einsehbar, auf in Büschen aufgehängte Glühbirnen. Gegenüber am anderen Ufer hörten wir auch Schüsse, da waren wohl andere, die sich derselben Beschäftigung hingaben. Plötzlich spürte ich einen Schlag am rechten Knie, den ich zunächst nicht besonders beachtete. Da sah ich, wie einer meiner Freunde schreiend, am Unterschenkel stark blutend, die Uferböschung hinaufrannte, wo sich ein deutsches Soldatenlager befand. Ich bemerkte, dass es in meinem linken Schuh feucht-warm wurde und sich mein Strumpf darüber rot färbte. Vor Schreck, weniger wegen eines Schmerzes, als mehr über das Blut, das mich erschreckte, begann ich auch zu schreien und lief ihm nach zu den Soldaten, die uns halfen, unsere Wunden mit Jod bepinselten und verbanden. Man jagte uns auch eine - in der Erinnerung - überdimensional große Tetanus-Spritze in den Oberschenkel, das empfand ich als das Schlimmste. Was war nun wirklich passiert? Eine wohl verirrte Kugel vom anderen Flussufer traf zunächst die rechte Wade meines Freundes und war dann durch mein linkes Knie gedrungen, knapp oberhalb der Kniescheibe, die vermutlich ausgewichen war. Zwei Narben zeugen bis heute von diesem Vorfall und dem Glück, das ich gehabt habe.

Ich lag noch mit meiner Verwundung im Bett, als uns die Mitteilung traf, Deutschland habe kapituliert, der Krieg ist zu Ende.