Familiengeschichten, Frauen, Mütter, Kinder
Sogar auf die Gräber fielen Bomben
Von: Frau Freudenthaler, Jg. 1935 | 23. Mai 2025, 16:27
Ich lese Ihnen von meiner Cousine, Viktoria Blasl, vor. Sie schreibt als Überschrift: „Sogar auf die Gräber fielen Bomben“.
„Meine Eltern wohnten in Linz in der Altstadt. Am zwölften Februar 45 gingen sie das Heulen der Sirene in den eigenen Keller. Doch da kam der Luftschutzwart und sagte zu ihnen, sie solle lieber in das gegenüberliegende, stärkere Haus kommen. Sie liefen mit. Doch Bomben fielen bereits, als sie in das Vorhaus kamen. Sie wurden verschüttet. Mit einem Schlag verlor sie Vater und Mutter. Die Mutter fand man nach drei Tagen auf einem Leiterwagen liegend. Den Vater fand man erst nach drei Wochen unter dem Schutt, als die Todesursache der Eltern kam, konnte ich nicht per Bahn nach Linz fahren von Enns. So ging ich in die Ennser Kaserne und fragte, ob mich ein Militärauto mitnehmen könnte. Nach langem Reden nahm mich eines mit. Dann konnte ich mit meiner Schwester alles weitere besprechen. DieToten dieses Viertels der letzten Nacht waren im Turnsaal der Raimundschule, das ist in Linz, in der Nähe der Herz-Jesu-Kirche - ich war in dieser Volksschule damals - vier lange Reihen, darunter kleine Kinder, Särge, mittlere und größere Särge, nur roh zusammengenagelt Bretter. Ein schrecklicher Anblick, der mich aber doch bewog, dies zu erzählen. Es waren 72. Wie ich nach Hause kam, weiß ich nicht mehr. Als das Begräbnis meine Mutter angesetzt war am Barbara-Friedhof, die als gewesene Stadt-Hebamme in das Familiengrab beigesetzt werden durfte, regnete es in Strömen. Mit vier Kindern, einem großen Blumenkranz gingen wir von Enns nach Linz, weil der Bahnverkehr eingestellt war.
Von Klein-München weg konnten wir fahren. Viele Autos furhen an uns vorbei, aber keines nahm uns mit. In Pichling machten wir kurze Rast in einem Wartehäuschen. Als es zum Friedhof kam, war dieser gesperrt. Es dürfen keine Beerdigungen stattfinden, weil in der Nacht vorher Bomben auf die Gräber gefallen waren. Nun standen wir ratlos am Tor. Nach längerer Zeit kam eine Frau, auf unsere Bitte öffnete sie uns. Wir konnten die Mutter noch einmal sehen. Dann gingen wir den gleichen Weg nach Enns wieder zurück. Im Geschwader etappenweise kamen die brummenden Bomber, die wie Silberflüge am Himmel aussahen. Linz war schrecklich anzusehen. Kein Leben. Verdunkelte Fenster, bombenbeschädigte Häuser und Straßen. Wir waren froh, als dieses Grauen hinter uns war. Zu Vaters Begräbnis konnten wir nicht kommen.
Frau Freudenthalers Cousine, Viktoria Blasl veröffentlichte den Beitrag „Sogar auf die Gräber fielen die Bomben“ in folgendem Buch:
Fritz Fellner: „Passierschein und Butterschmalz: 1945 – Zeitzeugen erinnern sich an Kriegsende und Befreiung“, Ed. Geschichte der Heimat, 1995.
Übersicht:
Familiengeschichten, Frauen, Mütter, Kinder
Bundesland:
Oberösterreich
Übersicht:
Gemeinsam erinnern