Familiengeschichten
Das neue Leben
Von: 4ea4dd0a-9335-43ea-99de-0b0559866787 | 24. April 2025, 14:42
Das kleine Glück in einer kargen Zeit
1949, als ich geboren wurde, war in Wien eine Zeit des Mangels. Meine Eltern waren, wie so viele ihrer Generation, ihrer Jugend beraubt und versuchten, ihr Leben in den Griff zu kriegen. Mein Vater war nach Jahren der Arbeitslosigkeit in den Krieg eingezogen worden und 1947 aus Russland zurückgekommen. Meine Mutter hatte mit ihrem ersten Mann nur drei Monate gemeinsames Leben, bevor er in Russland umkam. Für beide eine geraubte Jugend!
Obwohl beide Eltern arbeiteten, waren die Fünfzigerjahre eine karge Zeit. Man kann sagen, immer nur Erdäpfelsalat, Grießbrei und selten Schnitzel. Die Hälfte des Lohnes wurden für Lebensmittel gebraucht. Dies waren fast nur Grundnahrungsmittel, Fleisch war relativ selten. Einmal durfte ich für den Sonntagsbraten beim Wirt ein Krügel Bier holen, das war schon fast luxuriös! Und ich durfte den Schaum abschlecken!
1954 war für meine Eltern der große Umbruch, meine Eltern bekamen eine Gemeindewohnung im fünften Wiener Gemeindebezirk. Eine Wohnung mit einem richtigen Badezimmer, einen Gasherd und eigener Toilette! Eine prägende Erinnerung war: Der Umzug war spartanisch, ein Klappbett, ein Kasten mit Kleidung, ein geflochtener Wäschekorb und ein paar Kisten und Säcke mit Hausrat. Nachdem die Helfer gegangen waren, zogen sich meine Eltern und mich aus und drehten im Badezimmer das Warmwasser der Brause auf. Klingt banal, aber für die damaligen Verhältnisse war eine eigene Dusche der Gipfel an Luxus! Wir standen zu dritt im warmen Wasser und meine Eltern umarmten sich und weinten vor Glück. Eine prägende Erinnerung, die ich nie vergessen werde!
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