Besatzungsmächte , Frauen, Mütter, Kinder
Russische Besatzung
Von: Maria Stimpfl, Jahrgang 1934 | 30. März 2025, 12:24
Erinnerung aus der Kindheit unter russischer Besatzung
Meine Mutter hat uns Kinder darauf eingeschworen sofort ins Haus zu laufen und ihr Bescheid zu geben, wenn wir vor dem Haus einen Russen kommen sehen.
Als wir draußen gespielt haben, ist dann tatsächlich ein Russe gekommen. Ich bin sofort ins Haus gelaufen und habe versucht, meine Mutter zu warnen. Sie hatte Angst, mitgenommen zu werden und, unter anderem, zum Schanzen verpflichtet zu werden. In Panik sie hat versucht, sich unter der Bank zu verstecken. Allerdings war der Abstand zwischen Bank und Fußboden zu klein und sie hat nicht ganz reingepasst – ein Teil ihres Körpers hat hervorgeragt. Der Russe war schon im Haus, hat sie erwischt und herausgezogen. Daraufhin wurde sie von ihm mitgenommen.
Sie hat auch uns vier Kinder mit im Schlepptau gehabt und rief uns zu: „Fangt an zu weinen!“. Sie hoffte, dass wir damit Mitleid erregen könnten. Wir folgten ihr, aber einer meiner Brüder war widerspenstig – er hat sich geweigert zu weinen. „Ich weine doch nicht für den Russen!“, sagte er trotzig. Einmal hatte er schon geweint, das reichte ihm. Wir liefen mit unserer Mutter mit, hingen an ihrem Rockzipfel und ließen sie keine Sekunde aus den Augen. Doch dann hatte mein Bruder endgültig keine Lust mehr. „Ich mag nicht mehr. Ich dreh um“, sagte er entschlossen. Ich, als älteste Schwester, wusste, dass das nicht geht. „Du musst mitkommen! Sonst gehst du verloren!“, versuchte ich ihn zu überreden.
Wir folgten unserer Mutter bis in den Nachbarort. Schließlich drehte sich der Russe um, sah, dass wir immer noch nicht von ihr abließen, und schien genervt. Ohne Vorwarnung gab er meiner Mutter einen Stoß, sodass sie fast hinfiel, drehte sich um und ging weg.
So haben wir meine Mutter womöglich vor schlimmeren Folgen gerettet.
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