Frauen, Mütter, Kinder, Familiengeschichten

Über den Hohen Göll zu den deutschen Großeltern

Von: Frau Seebacher, Jg. 1940 | 20. Mai 2025, 13:20

Ich leb hier in Braunau, also in Ranshofen. Braunau ist ja die Geburtsstadt Hitlers. Ich bin Jahrgang 40 und mein Bruder 42 und unser Vater stammte aus Westfalen und ist aber, als ich drei Jahre alt war, im Krieg gefallen. Meine Mutter hat dann nochmal geheiratet und wir hatten eine kleine Schwester, die war noch ein Baby und wir sollten die Ferien bei unseren Großeltern in Westfalen verbringen. Aber unsere Brücken waren ja gesprengt in Braunau. Und es gab keine Möglichkeit, nach Deutschland zu kommen. Auch nicht über die Staustufe ungefähr zehn Kilometer von hier weg, was meine Mutter alles versucht hat. Und so sind wir auf die Idee gekommen, nach Salzburg bzw. Hallein zu fahren. Mein Stiefvater und meine Großmutter haben uns begleitet, weil meine Mutter hatte ja das Baby. Und wir fuhren dort und gingen unter den Hohen Göll, da gab es eine Hütte genau an der Grenze. Und ich glaube, das war das Purtschellerhaus. Und da haben sich viele Menschen getroffen. Und von der anderen Seite der Grenze ist mein Onkel gekommen. Der war ein Jahr jünger als mein Vater, und wir kannten ihn nicht. Er sollte uns abholen. Und wir mussten dort übernachten und am nächsten Tag zur Grenze gehen. Ich glaube, die Grenze ging genau durch die Hütte durch, aber man musste ein Stück gehen, da war eine Übergangsstelle, aber da kam kein Beamter. Und all die Leute, die dort gewartet haben, sind einfach nach einiger Zeit losgegangen. Mein Onkel nahm uns in Empfang und meine Großmutter und mein Vater mussten auf der anderen Seite wieder hinunter. Und wir gingen dann ein Stück. Auf einmal sagt mein kleiner Bruder zu mir: „Hast du auch so Bauchweh?“ Und ich aus voller Überzeugung: „Ja!“ Wir hatten beide Heimweh. Und plötzlich hat mein kleiner Bruder die Flucht ergriffen zwischen die Latschen und die Steinblöcke hinein und mein armer Onkel herrschte mich an: „Du bleibst aber da stehen“! und ist gerannt und hat ihn wirklich wieder zurückgebracht. Und so sind wir weiter getrottet mit ihm. Nach einer Weile hat er sich hingesetzt und hat uns eine Tube mit süßer Kondensmilch gegeben. An der durften wir saugen. Und da ist dann unser Bauchweh verschwunden, und wir waren zwei Monate bei den Großeltern und haben uns dort wohlgefühlt.

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