Fluchtgeschichten, Familiengeschichten
Flucht nach Tirol
Von: Flucht nach Tirol | 27. März 2025, 14:53
Meine Mutter flüchtet mit zwei Freundinnen vor den Sowjets nach Tirol
Flucht aus Wien vor den sowjetischen Truppen nach Tirol
In meiner Kindheit habe ich oft die Geschichte meiner Mutter gehört, wie sie mit zwei Freundinnen kurz vor Kriegsende vor den sowjetischen Truppen aus Wien geflüchtet sind. Mit dem Fahrrad, meine Mutter Hedi mit dem alten Steyr Waffenrad ihres Vaters, die Fuchspelzstola meiner Großmutter um den Hals. Sie und ihre beste Freundin Annemarie waren Jahrgang 1924, Annemarie Schwester Joschi etwas jünger.
Als sie bei Mauthausen vorbeikamen, sahen sie einen Zug Häftlinge in gestreiften Anzügen. Erschrocken fragten sie bei einer Bäuerin nach, wohin diese ausgemergelten Gestalten unterwegs waren.“ Die gehen ins Gas " war die Antwort. Meine Mutter hat mir glaubhaft versichert, dass dies das erste Mal war, dass sie und ihre Freundinnen von den grauenhaften Vorgängen in den KZs erfahren haben. Man wusste wohl, dass es Konzentrationslager gab, aber man dachte, es seien Straflager für Kriminelle . Die Bewohner der Umgebung eines KZ wussten anscheinend die Wahrheit.
Die Mädel kamen nach Kitzbühel, das von Flüchtlingen völlig überlaufen war. Niemand wollte sie aufnehmen, sie mussten in ein Seitental Richtung Kirchberg ausweichen. Auf einem Bergbauerhof hat man sie schließlich aufgenommen, wir haben in meiner Volksschulzeit auch einen Sommerurlaub dort verbracht. Die „Mam“ , die Bäuerin, hat damals noch gelebt. Meine Mutter hat bis zu deren Tod den Kontakt gehalten.
Sie haben für ihren Aufenthalt bezahlt und mussten sich auch ihr Essen selbst organisieren. Meine Mutter war im Arbeitsdienst auf einem Bauernhof in Griffen in Kärnten, also kam sie auf die Idee, von dort Erdäpfel zu holen. Sie fuhr also mit dem Zug, der auf offener Strecke von Flugzeugen beschossen wurde, während die Passagiere in der Umgebung Deckung suchen mussten, nach Kärnten und kam mit einem Sack Erdäpfel zurück. Sie meinte später dazu, dass es eine lebensgefährliche Aktion gewesen sei, und dass ihr heute so etwas nicht mehr einfallen würde.
Nach der Kapitulation hörten sie, dass sich in der Nähe ein Trupp Soldaten auflöse und sie ihre Ausrüstung verschenken würden. Meine Mutter und Joschi gingen hin und bekamen ein halbes Kalb und Decken. Die Soldaten tauschten von den Bauern Zivilkleidung ein um sich nach Hause abzusetzen. Es dürfte sich um Waffen SS gehandelt haben da meine Mutter etwas von Tätowierungen erzählte.
Im Herbst 1945 kamen sie zurück nach Wien .
Marianne Hruschka geb.1959
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