Familiengeschichten, Frauen, Mütter, Kinder
Mutter war in Holland, Vater in Amerika
Von: Helga Wirrer, Jahrgang 1942 | 18. April 2025, 14:22
Nach 1945, was ich mich noch erinnern kann wirklich aus der Zeit, ich muss drei Jahre gewesen sein, da waren Fliegeralarme natürlich. Bei uns ist auch ziemlich bombardiert worden. Wir haben im ersten Stock diese Wohnung gehabt und keinen Keller, aber eine Waschküche unten im Parterre mit einem riesigen, hölzernen Schubtisch. Und da sind wir runter und haben uns darunter versteckt und haben geglaubt, dass wir da geschützt sind. Und das Wasser war noch draußen zum Pumpen mit einem Brunnen, es war oft vereist, meine Mutter hat einmal einen furchtbaren Sturz am Kopf gemacht und war von dato immer sehr empfindlich. Und mein Vater war in Kriegsgefangenschaft. Zum Glück bei den Amerikanern, muss man sagen. Dort ist es ihm gar nicht schlecht gegangen. Er hat ein sehr musisches Talent gehabt (...).
Meine Mutter war in Holland zehn Jahre lang, weil sie da bei uns keine Stellung gekriegt hat. Sie ist geboren in einer Familie mit zwölf Kindern, am Land in Oberösterreich. Sie war bei den Älteren und musste schauen, wo sie ihr Geld verdient, weil nicht genug Essen zu Hause war. Eine kleine Landwirtschaft war da. Und eines Tages hat sie gesagt: So, jetzt komme ich nicht früher heim, bevor ich nichts gefunden habe. Sie war 17 Jahre alt, und da wurde sie vermittelt nach Holland. Und die Vermittlerin hat gesagt, da brauchen sie eine Köchin (...) Und meine Mutter ist heim, und die Großmutter von ihr war ganz fertig und hat gesagt: Nein, das gibt's ja nicht, jetzt bist du dann auch nimmer da. Und sie ist dann dahin.
Sie hat kein Glück gehabt, war zuerst bei einer deutschen Familie, und die war entsetzlich. Da hat sie einmal was kaputt gemacht, irgendeine Tischplatte, und da hat sie dann, weiß nicht wie lange, keinen Lohn gekriegt. Oder sie hat die Schuhe aufheben müssen, ob sie ja keinen Schmutz dran hat, wenn sie heimgekommen ist von irgendeiner Besorgung (...)
Sie hat dann bei einer jüdischen Familie Aufnahme gefunden. Die haben sie wie eine Tochter behandelt, eine Schwester zu ihrer Tochter, und es war noch ein Bruder da. Und meine Mutter hat den ganzen Kriegsausbruch dort mitgemacht. Die Bombardierung und alles, wie Rotterdam gebrannt hat, inklusive des Tierparks in der Nähe. Und sie war eine Mutige und Neugierige und ist nach draußen und hat gesehen die verkohlten Tiere, eine Schlange rund um den Laternenpfahl gewickelt (...). Also sie hat soviel schlimme Erfahrungen gemacht. Oder wie sich die Deutschen runter haben lassen als Fallschirmspringer, also falsch getarnt als Rotkreuz-Schwestern. Und die haben ja keine Luftschutzkeller gehabt (...) Leider habe ich sie nie aufgenommen, wenn sie was erzählt hat.
Ich bin mit ihr in den Ferien einmal nach Amsterdam gefahren, weil sie wissen wollte, was mit der Familie passiert ist. Da hat es noch die Schwester gegeben, und die hat erzählt, der Bruder, den haben sie zwischen zwei Mauern versteckt gehabt. Und die Eltern, die sind abtransportiert worden, die hat sie nie mehr gesehen. (..)
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