Besatzungsmächte , Familiengeschichten

die russen kommen

Von: Helga Herzog | 3. April 2025, 10:19

Kindheitserinnerungen an die Besatzungszeit - Mühlviertel

Irgendwann im Jahr 1946, Schwertberg, ein Ort im Mühlviertel

Ich bin etwa 8 Jahre alt, lebe mit Eltern, Großeltern, Geschwistern sowie unserer Köchin, einer Haushaltshilfe, 2 Kindermädchen, 2 Lehrlingen (von unserem Geschäft, mein Vater war Kaufmann) in einem recht großen Haus direkt im Ort.


Der Krieg war also aus und die Sieger haben sich Österreich geteilt, das hieß für uns
in Linz waren die Amerikaner, auf unserer Seite der Donau, im Mühlviertel, die Russen.

Es war eine angsterfüllte Zeit, als wir erfuhren, dass Schwertberg von Russen besetzt werden würde. Ihr Image war sehr schlecht. Frauen und Mädchen sollten besser zuhause bleiben, da sie von den Besatzern schlecht behandelt würden. Was das genau hieß, wussten wir Kinder nicht.

In Schwertberg war die russische Kommandantur am unteren Ende des Marktplatzes. Wir verständigten uns mit ihnen zunächst "mit Händen und Füßen", später hatten wir uns ein paar Brocken Russisch bzw. sie sich etwas Deutsch angeeignet, was die Unterhaltung doch ein bisschen vereinfachte. Speziell Höflichkeitsfloskeln wie etwa Bitte/Danke, grüßen und ähnliches war wohl auch günstig für den Alltag miteinander. Ich habe mich jedenfalls nie vor ihnen gefürchtet. Sie waren freundlich, meist gut gelaunt und luden oft Kinder zu einer Rundfahrt in ihren Fahrzeugen ein. Wir durften von Mama aus nie mitfahren. ("Was tun die denn mit den Kindern?" wurde geflüstert)


Die Russen hatten eine besondere Vorliebe für Armbanduhren, die wurden eingesammelt und je nach Stand trugen sie die Beute dicht an dicht an den Armen, zum Teil bis rauf zu den Ellbogen. Es eilte ihnen auch der Ruf voraus, Schmuck, Pelze und Kleidung zu rauben. Das hatten wir gehört, schon bevor sie kamen und so wurden in einer Ecke der Speisekammer diese Dinge gelagert und eingemauert.
Irgendwie haben gerüchteweise die lieben Mitbürger davon erfahren und es auch der Kommandantur gemeldet. Jedenfalls kamen da auf einmal ein paar Soldaten mit Schaufeln und begannen unseren Gemüsegarten umzugraben - da war aber nix zu finden - Pech/Glück gehabt.



Bei uns im Haus waren Soldaten einquartiert. ich wusste nicht wo.
Wir Kinder hatten unsere 2 Zimmer - essen, spielen, schlafen. Was sonst im Haus los war interessierte mich nicht.

Daran erinnere ich mich doch: Es war so abends, irgendwann 1946? Wir saßen beim Küchentisch, es klopfte und herein kamen drei Russen mit einem Eimer toter Fische.
"Du Mama kochen" sagten sie zu meiner Oma, (Laura Pepöck, geb. Breinbauer).
Diese war nun eine perfekte Köchin, schaute die Fische an und sagte: "Da brauche ich Fett und das habe ich nicht."
Einer der Soldaten verschwand und kam kurz darauf mit ca 1kg Butter wieder – ein unglaublicher Schatz in dieser Zeit des Hungers.
Oma richtete also die Fische her, briet sie und kochte noch Erdäpfel dazu - die hatten wir ja aus dem Garten. Zum Essen waren wir dann alle eingeladen, auch Babyschwester Anneliese und Opa, (Josef Pepöck, Kaufmann) wurden geholt - sie waren schon im Bett gewesen.
Es war ein Festmahl!
Für die Erwachsenen hatten die Russen noch Schnaps dabei.
Im Nachhinein habe ich oft über die großzügige Einladung nachgedacht.
"Waren sie freundlich und freigebig oder hatten sie Angst, dass wir Gift ins Essen der Feinde tun?"

Das Mühlviertel war also russisches Gebiet, die andere Seite der Donau von Amerikanern besetzt. Die Demarkationslinie war über die Nibelungenbrücke nur mit einem Identitätsausweis = ein Ausweis in 4 Sprachen mit Lichtbild zu überqueren. Auch ich musste später, als Schülerin in Linz, einen haben. Anders als derzeit, war es damals das größte Problem, ein Foto von mir zu beschaffen. Letztlich wurde ich (also ein Foto von mir) aus einem Gruppenbild von meiner Erstkommunion geschnitten.
Ich kam von Schwertberg aus in Urfahr beim Bahnhof der Mühlkreisbahn an. Von dort zur Schule im Zentrum Linz musste ich über die Nibelungenbrücke die Demarkationslinie passieren. Genauso für den Heimweg. Vom Bahnhof der Mühlkreisbahn fuhr der Bus nach Grein ab. Mit diesem konnten wir am Wochenende, nach der Schule, nach Schwertberg fahren. Den Ausweis auf der Brücke zu zeigen, war Routine. Ich erinnere mich nicht, dass es dabei jemals eine unangenehme Situation gegeben hätte.


Behütet /abgeschirmt im Internat der Kreuzschwestern habe ich das Ende dieser Zeit eigentlich nicht mitbekommen.

"Österreich ist frei" hieß es dann.


Ich denke, das war alles an Erinnerungen.

Helga Herzog (geb. Pepöck), geb. 1938
Unterstützt v. Marion Kitzberger, Tochter

Umgebungskarte "Besatzungsmächte "
Leaflet | © OpenStreetMap contributors

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