Behindertenvertreter zeigen Missstände auf

Sarkasmus zum Aschermittwoch

Einen politischen Aschermittwoch der anderen Art haben die Behindertensprecher der Grünen und der ÖVP, Helene Jarmer und Franz-Joseph Huainigg, begangen. Mit viel Selbstironie und ohne Selbstmitleid legen die beiden selbstbetroffenen ihre Anliegen dar und berichten von skurrilen Begegnungen zwischen behinderten und nicht-behinderten Menschen.

Mittagsjournal, 09.03.2011

Jarmer predigt Umkehr

Am Aschermittwoch ist Schluss mit lustig, findet die Grüne Nationalratsabgeordnete Helene Jarmer. Übersetzt von einer Gebärdendolmetscherin, ruft die gehörlose Abgeordnete im Budgetsaal des Nationalrates den Behinderten zu: "Bekehret Euch!" Behinderte dürften sich nicht "reduzieren lassen auf ein rührendes, verführendes Krüppelchen. So lieb, so süß, zu Tränen rührend. Nein!" Und dem Gesetzgeber predigt Helene Jarmer: "Tut Buße, kehret um. Behinderte Menschen sollen auch hochwertige Ausbildungen erreichen können." Ihre Forderung an die Medien ist: "Kehret um! Behinderte Menschen sollen einbezogen werden und auch in der Gesellschaft teilhaben, und das soll zur Selbstverständlichkeit werden."

Huainigg sieht einen Reformstau

Der ÖVP-Nationalratsabgeordnete Franz Josef Huainigg, im Rollstuhl und mit mobiler Beatmungsmaschine, erzählt aus dem Leben eines behinderten Politikers: "Ein guter Tag beginnt bei mir mit einem Ö1-Morgenjournal. Das ist eine wichtige Informationsquelle, da ich keine Zeitung lesen kann. Sie werden sagen: Was, ein Abgeordneter, der nicht lesen kann? Ich sage Ihnen, es ist die beste Voraussetzung für einen Politiker, in der Früh nicht das Kleinformat gelesen zu haben. Da kann man den Tag unvoreingenommen beginnen." In Österreich herrsche Reformstau, stellt der ÖVP-Abgeordnete fest. Und dieser betreffe auch die Behindertenpolitik. Wenn es etwa für die Vergabe von Behindertenausweisen noch immer keine bundeseinheitlichen Kriterien gibt.

Er stellt sich den Reformstau wie einen Stau auf der Straße vor, der entstanden ist, weil irgendwo da vorne eine Ampel Rotlicht zeigt und sich auf dem dazugehörigen Zebrastreifen Seltsames tut. Huainigg schildert: "Neun kleine Kindergartenkinder, Michi, Gabi, Klein-Erwin und Co, stehen da und spielen und zeigen den Autofahrern die lange Nase. Der Reformstau ist letztendlich ein Kindergartenspiel um Macht und Einfluss, den keiner abgeben möchte."

Kritik an den Pensionistenvertretern

Und ÖVP-Behindertensprecher Huainigg nimmt auch die Pensionistenvertreter Karl Blecha (SPÖ) und Andreas Khol aus seiner eigenen Partei ÖVP aufs Korn: "Kennen Sie den Unterschied zwischen einer Zitronenpresse und den Pensionistenvertretern? Bei einer Zitronenpresse bleibt immer ein Fruchtrest in der Schale, aber wenn die Pensionistenvertreter pressen, bleibt nichts zurück. Fruchtsaftrest für die junge Generation."

Zum Schluss dieser ironischen, vielleicht doch eher bitteren Veranstaltung singt man das Krüppellied.