Karlsson: "Stadt Wien wusste von Zuständen"

Studie: Heime als "Kindergefängnisse"

Die verheerenden Zustände in den Wiener Heimen seien den Verantwortlichen der Stadt Wien schon Anfang der 1970er Jahre bekannt gewesen, sagt die ehemalige SPÖ-Nationalratsabgeordnete Irmtraut Karlsson. Sie hat 1974 die Studie "Verwaltete Kinder" fertiggestellt. Fazit: Viele Heime seien echte Kindergefängnisse gewesen.

Morgenjournal, 19.10.2011

"14 Heime waren Kindergefängnisse"

Irmtraud Karlsson hat von 1972 bis 1974 als Beamtin der Stadt Wien gemeinsam mit Studenten die Zustände in 34 Wiener Heimen untersucht. Elf Heime hätten den Vorstellungen der Heimkommission entsprochen. 14 Heime seien aber regelrechte Kindergefängnisse gewesen, sagt Karlsson.

Keine Konsequenzen

Diese Ergebnisse hat sie 1974 den Verantwortlichen der Stadt Wien präsentiert. Daraufhin durfte sie den Bericht nur zensuriert veröffentlichen. "Die Heime durften nicht im Originalnamen vorkommen, sondern nur als Nummerncode", sagt Karlsson. Das habe die Stadt Wien verlangt. Außerdem habe die Stadt auch alle Protokolle zur Untersuchung bekommen. Konsequenzen in den Heimen gab es keine.

"Nestbeschmutzer gewesen"

"Ich habe gelglaubt, dass die schlimmsten Heime geschlossen werden. Doch die Trägheit des Systems habe ich schwer unterschätzt", sagt Karlsson. Sie und die anderen Wissenschaftler seien auch als die Nestbeschmutzer bezeichnet worden.

"Gewalt hatte System"

Ihre Karriere in der Stadt Wien sei mit dieser Studie beendet gewesen. Später wechselte Karlsson in den Nationalrat. Karlsson kann sich vorstellen, dass es im Heim Wilhelminenberg sexuelle Übergriffe gegeben hat. Persönlich habe sie aber nie etwas davon bemerkt. Aufklärung sei jetzt wichtig. Doch persönlich habe sie das Gefühl, dass es jetzt schon wieder eine Gegenwelle gibt. Ausreden wie "So war das ja gar nicht!" höre man immer öfter. Fakt sei, dass Gewalt in den Heimen System gehabt habe. Ihre Studienergebnisse müssten der Stadt ja noch vorliegen. Sie könne gerne darauf zurückgreifen, sagt Karlsson.

Oxonitsch kennt Bericht

Der Wiener Jugend- und Kinderstadtrat Christian Oxonitsch verweist darauf, dass der Bericht jetzt wichtige Grundlage für die Arbeit der Historikerkommission sei, die bereits vor einem Jahr eingesetzt wurde.

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