Dutzende Anrufe bei Opferschützern

Wilhelminenberg-Insassen melden sich

Drei Erzieherinnen, die in den 70er-Jahren im Kinderheim Wilhelminenberg in Wien tätig waren, wollen keine sexuellen Übergriffe auf die Kinder bemerkt haben. Zwei Frauen hatten zuletzt schwere Vorwürfe erhoben. Immer mehr ehemalige Heimkinder haben sich jetzt bei der Untersuchungskommission gemeldet, ihre Aussagen werden geprüft.

Morgenjournal, 18.10.2011

Kommission soll prüfen

Es ist wie so oft bei Fällen von mutmaßlichen Vergewaltigungen und sexuellem Missbrauch: Kaum ist ein Vorwurf erhoben, gibt es Zweifel, ob auch wirklich alle Angaben der Opfer stimmen. So auch jetzt nach den Vorwürfen rund um das 1977 aufgelassene Wiener Kinderheim am Wilhelminenberg. Ehemalige Erzieherinnen dementieren, dass es dort Serienvergewaltigungen und organisierte sexuelle Gewalt gegeben hätte. Beim Wiener Jugendamt ist von Widersprüchen in den Aussagen die Rede. Eine Kommission soll die Vorwürfe nun prüfen. Und möglicherweise werden auch andere ehemalige Heimkinder zur Aufklärung beitragen. Sie haben sich gestern zahlreich gemeldet.

Noch keine Bestätigung

Die Medienberichte über Gewalt und sexuellen Missbrauch im Heim Wilhelminenberg haben bei ehemaligen Heimkindern traurige Erinnerungen wachgerufen. Im Viertelstundentakt haben daraufhin gestern bei der Opferschutzorganisation Weißer Ring die Telefone geläutet. Geschäftsführerin Marianne Gammer zählte rund 40 "Kontakte" allein bis 14 Uhr. Ob Anruferinnen den Vorwurf bestätigen, dass es am Wilhelminenberg Serienvergewaltigungen von Mädchen in den Schlafsälen gegeben habe, kann die Weißer-Ring-Geschäftsführerin derzeit allerdings noch nicht sagen.

Traumatisierung unterschiedlich

Bei den telefonischen Erstgesprächen gehe es nicht primär um das Erlebte, sondern vor allem darum, eine Vertrauensbasis mit den Betroffenen aufzubauen und über ihre derzeitige Situation zu sprechen, sagt Gammer. Die aktuelle Belastung sei unterschiedlich, weiß man beim Weißen Ring: "Es gibt Opfer, die werden die Gewalt nie aus ihrem Leben bringen, aber sie bewältigen den Alltag ganz gut. Auf der anderen Seite gibt es Extreme, wo im Rahmen von posttraumatischen Belastungsstörungen die Erlebnisse immer wieder hochkommen, als würden sie die Gewalt erneut erfahren."

"Glaubwürdige Schilderungen"

Vom Wilhelminenberg waren der Stadt Wien und dem Weißen Ring bisher offenbar Berichte über brutale Erziehungsmethoden und auch sexuellen Missbrauch bekannt. Von organisierten Vergewaltigungen aber hätten bisher nicht einmal die zwei Schwestern berichtet, die am Wochenende an die Öffentlichkeit gegangen sind, sagt Marianne Gammer. Zu Dementis von ehemaligen Erzieherinnen und zu Widersprüchlichkeiten, die es laut dem Wiener Jugendamt in den Aussagen der beiden Schwestern gibt, sagt Gammer: "Im Rahmen dieses Projekts gibt es kein Gerichtsverfahren, wo im Grund genommen eine Beweiswürdigung notwendig ist. Wir stützen uns auf Aussagen der Betroffenen, wobei die Gespräche von Therapeutinnen mit Traumaerfahrung geführt werden. Und im gegebenen Fall wurden die Schilderungen als glaubwürdig erachtet." - Aber eben noch ohne den Vorwurf von Serienvergewaltigungen. Den soll nun eine Kommission unter der Leitung eines pensionierten Richters oder Staatsanwalts klären.

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