Tierschützerprozess: Nichts außer Spesen

Außer Spesen nicht gewesen - so könnte man den Prozess gegen Tierschützer zusammenfassen, dessen Neuauflage gestern in Wiener Neustadt ebenfalls mit einem Freispruch zu Ende gegangen ist. Sechs Jahre nach der spektakulären Verhaftung von zehn Tierschutzaktivisten blieb von den zahlreichen Vorwürfen von Polizei und Staatsanwaltschaft nichts übrig - außer enorme Kosten für die Freigesprochenen.

Mittagsjournal, 28.5.2014

"Übler Nachgeschmack"

Vor sechs Jahren stürmten Cobra-Beamte die Wohnungen von zehn Tierschützern in ganz Österreich. Es folgten Verhaftungen und mehr als 100 Tage U-Haft. Der schwerwiegende Vorwurf lautete "Bildung einer kriminellen Vereinigung". Beim folgenden monatelangen turbulenten Prozess am Landesgericht Wiener Neustadt müssen sich 13 Tierschützer verantworten. Letztlich erfolgte ein Freispruch in allen Punkten. Doch das Oberlandesgericht hob diesen teilweise wieder auf. Fünf Tierschützer mussten in den vergangen Wochen noch einmal zu Einzelvorwürfen vor Gericht verantworten und wurden neuerlich freigesprochen.

Verfassungsrechtsexperte Bernd-Christian Funk hat den Tierschützerfall über all die Jahre verfolgt. Er meint, "da sind von Anfang an Dinge in die falsche Richtung gegangen." Er fordert, dass die Justiz Lehren aus dem Verfahren zieht. "Inzwischen ist ja auch die gesetzliche Grundlage verändert worden. Aber der ganze Stil des Verfahrens und die ganze Vorgangsweise hinterlässt einen sehr üblen Nachgeschmack."

Selbstkritik der Justiz gefordert

Martin Balluch, Chef des Vereins gegen Tierfabriken, einst Hauptangeklagter, sagt, er habe 900.000 Euro Schulden. Die verantwortlichen Polizisten und der Staatsanwalt seien hingegen befördert worden: "Das muss noch aufgearbeitet werden, das wird nicht das letzte Wort sein. Man muss jetzt noch klarstellen, wer hat das ausgelöst und wie konnte das passieren."

Auch Verfassungsrechtler Funk sieht Evaluierungsbedarf, etwa warum gerade immer politisch brisante Fälle bei der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt aus dem Ruder laufen. Derzeit sorgt ja der laufende Schlepperprozess gegen Votivkirchen-Flüchtlinge neuerlich für Irritationen. Auch die Zusammenarbeit zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei in Fall der Tierschützer ist für funk etwa hinterfragenswert: "Da dürfte es echte Ermittlungsfehler und Pannen gegeben haben und Mängel in der Zusammenarbeit. Schließlich ist es ja so, dass die Staatsanwaltschaft eine wichtige Funktion eines Korrektivs und der Kontrolle auszuüben hätte."

Im Justizministerium wird derzeit allerdings nicht über eine Evaluierung der umstrittenen Causa nachgedacht. Selbstkritisches Hinterfragen ist im Justizsystem nicht vorgesehen.

Unzureichender Schadenersatz

Trotz aller Erleichterung über die Freisprüche sitzen die betroffenen Tierschutzaktivisten nun auf riesigen Schuldenbergen. Angemessene Entschädigungen für Freigesprochene gibt es nicht. Tierschützeranwalt Stefan Traxler hat nun begonnen, die Republik für seine Mandanten zu klagen: "Wir haben geklagt auf 600.000 Euro - in dieser Größenordnung mal 13 muss man rechnen." Allerdings sind derartige Zivilprozesse erneut immens teuer und haben ein hohes Prozessrisiko, sagt Funk. Er sieht "die Gesetzgebung gefordert", man werde die "völlig unzureichenden Schadenersatzmöglichkeiten reformieren müssen in die Richtung eines echten, realen Schadensausgleichs."

Die von Justizminister Wolfgang Brandsetter geplante Verdoppelung des Kostenersatzes für Freigesprochene ist hier nur ein Tropfen auf den heißen Stein.