Von allen Anklagepunkten
Tierschützer freigesprochen
Im umstrittenen Tierschützer-Prozess in Wiener Neustadt sind alle 13 Angeklagten von sämtlichen Vorwürfen freigesprochen worden. Die Aktivisten waren wegen Beteiligung an einer kriminellen Organisation und anderen Delikten angeklagt. Die Kosten des 14 Monate dauernden Prozesses werden auf sieben Millionen Euro geschätzt.
8. April 2017, 21:58
Bericht und Analyse von Petra Pichler
im Mittagsjournalgespräch am 02.05.2011 mit
Kein Vorsatz
Die 13 Aktivisten hatten sich seit 14 Monaten wegen Beteiligung an einer kriminellen Organisation nach Paragraph 278a verantworten müssen. Neun von ihnen waren auch weitere Delikte wie Nötigung, Sachbeschädigung und Tierquälerei vorgeworfen worden. Doch im nun verkündeten Urteil heißt es jetzt, die Angeklagten seien weder Teil einer kriminellen Organisation noch für sonstige Delikte verantwortlich. Die Beteiligung an einer kriminellen Organisation setze zumindest einen bedingten Vorsatz voraus, erklärte Richterin Sonja Arleth. Die Täter müssten es ernstlich für möglich halten, dass sie bei ihren Handlungen eine Straftat begehen. Dies sei aber nicht der Fall gewesen.
Keine "kriminelle Organisation"
Dann listete die Richterin sämtliche Einzelvorwürfe gegen die 13 Beschuldigten auf - um ihren späteren Begründungen besser folgen zu können, wie sie erklärte. Die erste Frage, die man sich stellen müsse, sei, ob eine kriminelle Organisation, an der man sich beteiligen könnte, überhaupt vorliege. Dafür seien eine unternehmensähnliche Verbindung und gewisser hierarchischer Bau erforderlich, sagte Arleth. "Das Beweisverfahren hat ergeben, dass das nicht vorliegt."
Kein hierarchischer Aufbau
In beiden Organisationen, Basisgruppe Tierrechte (BaT) und Verein gegen Tierfabriken (Vgt), gebe es ein basisdemokratisches Vorgehen. Protokolle der Sitzungen sowie die Angaben der verdeckten Ermittlerin (VE) "Danielle Durand" hätten dies zweifelsfrei ergeben. Indizien, die laut der Staatsanwaltschaft für einen hierarchischen Aufbau stehen würden, müsse man im Gesamtzusammenhang sehen - dann seien sie widerlegt. Über das Fadinger-Forum habe der erstangeklagte Martin Balluch ausgedrückt, wie er zur Animal Liberation Front (ALF) stehe - und zwar, dass das nicht "unsere Taktik" sei, er sie aber toleriere. "Und das ist nicht ein Indiz für eine Doppelstrategie, wie von der Staatsanwaltschaft zu würdigen", betonte Arleth. "Es konnte nicht erwiesen werden, dass das Fadinger-Forum eine Kommunikationsmöglichkeit für Mitglieder einer kriminellen Organisation ist." Es handle sich dabei um eine geschlossene Email-Liste für Themen der Tierrechtsbewegung.
Keine "Kommandozentrale"
Das Beweisverfahren habe - auch durch die Aussagen der VE belegt - ergeben, dass es keine Räumlichkeiten gebe, die als Kommandozentrale für eine kriminelle Organisation fungieren. Einige der vorgeworfenen Protestaktionen fielen unter zivilen Ungehorsam und stellten "maximal Verwaltungsübertretungen" dar. Auch Nachweise für einen Handy-Pool oder chemische Substanzen, die auf Anschläge hindeuten, wurden nicht gefunden.