Langzeitverfahren droht Neuauflage
Tierschützerprozess in der Zielgeraden
Der Tierschützerprozess soll nach mehr als einem Jahr nun abgeschlossen werden. Das Verfahren, das in der Öffentlichkeit heftig umstritten ist, könnte wegen Nichtigkeit wiederholt werden. Ein Urteil ergeht in einem Monat.
8. April 2017, 21:58
Im Tierschützerprozess in Wiener Neustadt hat Richterin Sonja Arleth noch bis in die Nacht verhandelt. Das Gericht ist offenbar wild entschlossen, die umstrittene Causa um die 13 Tierrechtsaktivisten, die nach dem Mafiaparagraf angeklagt sind, nach mehr als einem Jahr Prozessführung abzuschließen. Und zwar offenbar auch auf die Gefahr hin, dass das Verfahren wegen Nichtigkeit wiederholt werden muss. Der Prozess wird Freitag Mittag mit den Schlussplädoyers fortgesetzt. Das Urteil soll aber erst in einem Monat folgen.
Mittagsjournal, 01.04.2011
Aus Wiener Neustadt,
Zweifel an Gutachter
Gestern, am Ende des Beweisverfahrens waren sich Ankläger und Verteidigung, zumindest in einem Punkt, einig wie nie: Zuerst hatte die Richterin alle Anträge der Verteidigung abgewiesen, den umstrittenen linguistischen Sachverständigen Wolfgang Schwaiger abzuberufen. Im selben Atemzug äußerte Richterin Sonja Arleth allerdings auch erhebliche Zweifel an den Fähigkeiten des Gutachters. Er soll auch nicht nochmal befragt werden. Einen Antrag der Staatsanwaltschaft, einen neuen Gutachter zu berufen, den auch die Verteidigung unterstützt hatte, lehnte Arleth hingegen ab.
Wiederholung droht
Für den Staatsanwalt Grund sich eine Nichtigkeitsbeschwerde vorzubehalten. Zurecht, fürchten nun die Verteidiger. Tierschützer-Anwalt Michael Dohr sagt, es müsste eigentlich ein neuer Sachverständiger beantragt werden. Das hieße aber auch, dass eine Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft komme und das Verfahren neu aufgerollt werden muss.
Jetzt hängt es ganz massiv davon ab wie geschickt die Richterin ihre Entscheidungen und Aussagen zum Gutachter im Urteil begründet. Denn dass das Verfahren wegen Nichtigkeit wiederholt werden muss, kann wohl niemand wollen, sagt Dohr, denn es hieße Ende nie.
Viele Ungereimtheiten
Doch der umstrittene Gutachter Schweiger, der das Gericht tagelang mit der Erläuterung seiner zum Teil selbst erfundenen forensischen Methoden verwirrt hat, mit denen er erläutern wollte, dass der Erstangeklagte Tierschützer Martin Balluch der Verfasser von Bekennerschreiben zu Anschlägen und Autor von Leserbriefen sei, ist nur ein Punkt, der im Verlauf des Verfahrens für Aufregung gesorgt hat. Verfassungsjurist Bernd-Christian Funk sagt, es sei ein in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlicher Prozess angefangen von den Ermittlungen der Polizei bis zur Prozessführung.
Von den verdeckt ermittelnden Polizeiagenten, die nichts strafbares entdecken konnten und die man im Gerichtsakt versucht hatte zu verschweigen bis hin zur Anklage der Tierschützer nach dem Mafia-Paragrafen. Zuletzt gab es auch heftige Expertenkritik an der Prozessführung Möglicherweise weil kaum handfeste Beweise im Verfahren vorgelegt werden konnten.
Egal wie der Prozess ausgeht, all das muss laut Funk umfassend geprüft werden. Es sei behauptet worden, dass es sich um ein bestelltes Verfahren handelt, da herrsche Aufklärungsbedarf.
Auch eine Revision des umstritten Mafiaparagrafen 278 und 278 a wären nach Prozessende aus Sicht des Verfassungsexperten Funk angebracht.
Schlussplädoyers
Heute Nachmittag halten jedenfalls Staatsanwalt und Verteidiger ihre Schlussplädoyers. Offenbar hegt auch der Staatsanwalt Zweifel, dass seine die Anklage wegen krimineller Vereinigung hält. Er hat gestern noch schnell die Anklage gegen Balluch und zwei weitere Tierschützer ausgedehnt. Und zwar auf Tierquälerei und Sachentziehung, wegen einer Nerzbefreiung vor 14 Jahren. Was ein wenig wie der verzweifelte Versuch wirkt, die lange U-Haft der Beschuldigten zumindest mit einer Verurteilung in dieser Sache zu rechtfertigen. Die Urteile sollen am 2. Mai gesprochen werden.